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Krankenkassen: Willkür bei abstehenden Ohren
Aus Espresso vom 21.03.2016. Bild: Colourbox
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Versicherungen Krankenkassen: Willkür bei abstehenden Ohren

Korrekturen von extrem abstehenden Ohren werden unter Umständen von der Krankenkasse bezahlt. In vielen Fällen jedoch erst, wenn ein Kind wegen Hänseleien bereits psychischen Schaden genommen hat. Betroffene und Ärzte sprechen von einer zynischen Regelung und berichten von Willkür.

«Extrem abstehende Ohren, sogenannte Segelohren, können zu psychischen Problemen und damit zu Schwierigkeiten in der Schule und im Beruf führen.» So schreibt die Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Kantonsspitals Baselland auf ihrer Webseite. Die Klinik empfiehlt deshalb, Segelohren bereits vor der Einschulung eines Kindes korrigieren zu lassen.

«Du siehst ja aus wie ein Elefant!»

Doch beim Thema Segelohren herrscht bei den Krankenkassen pure Willkür. Beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» haben sich in den letzten Wochen zwei betroffene Mütter gemeldet: beide mit Töchtern im Vorschulalter mit extrem abstehenden Ohren. Den Mädchen drohte neben Schmerzen beim An- und Ausziehen von Kleidern auch psychisches Ungemach.

Denn die fiesen Hänseleien beginnen schon im Vorschulalter: «Du hast so grosse Ohren – kannst du fliegen?» Oder: «Du siehst ja aus wie ein Elefant!»

Bundesgericht: Zahlen nur bei psychischem Schaden

Dennoch lehnten die jeweiligen Krankenkassen Groupe Mutuel und Intras kategorisch ab, die Operation zu bezahlen. Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid müsse man den ästhetischen Eingriff erst dann übernehmen, wenn ein psychiatrisches Gutachten beweise, dass das Kind wegen Hänseleien bereits einen psychischen Schaden hat.

Absurd, finden beide Mütter. Wer die zwischen 3000 und 8000 Franken teure Operation nicht aus eigener Tasche bezahlen kann, muss also warten, bis es zu spät ist – und sein Kind Schaden nimmt.

Und plötzlich zahlt Groupe Mutuel doch

Eine der beiden betroffenen Mütter will diese fragwürdige Regelung nicht akzeptieren und holt sich Hilfe bei ihrer Rechtsschutzversicherung. Und siehe da: Nach mehrmaliger Intervention gibt Groupe Mutuel plötzlich grünes Licht.

Für die betroffene Mutter zwar erfreulich, trotzdem ist das Vorgehen für sie fragwürdig: «Die ersten Briefe scheinen bloss an eine Sachbearbeiterin gegangen zu sein, die die Anweisung hatte, solche Fälle umgehend abzulehnen. Erst als wir uns ernsthaft wehrten, scheint der Fall von einem Vertrauensarzt beurteilt worden zu sein.»

Weshalb es zum Meinungsumschwung kam, kann die Groupe Mutuel trotz mehrmaliger Nachfrage nicht schlüssig erklären. Der Verdacht der Willkür wird vom Leiter der ambulanten Klinik für Kinderchirurgie in Fällanden, Jean-Pierre Pochon, gestützt.

Er operiert regelmässig Kinder mit abstehenden Ohren und sagt: «Ganz klar, da gibt es grosse Unterschiede. Wenn man Glück hat wird’s von der Kasse übernommen. Aber da ist eine grosse Unsicherheit, um nicht zu sagen Willkür, da.»

Auch Vertrauensärzte äussern Zweifel

Selbst die Vertrauensärzte, welche solche Fälle im Auftrag der Kassen beurteilen müssen, zweifeln an der fragwürdigen Regelung. Jürg Zollikofer, Präsident der Schweizerischen Vertrauens- und Versicherungsärzte, sagt gegenüber «Espresso»: «Wenn die abstehenden Ohren massiv sind, sollte das von der Kasse als Pflichtleistung übernommen werden. Wir Vertrauensärzte können jedoch lediglich Empfehlungen abgeben. Was die Krankenkasse damit macht, entscheidet sie selber.»

Stellungnahme Intras und Groupe Mutuel

Gegenüber «Espresso» weisen beide Kassen den Vorwurf der Willkür zurück und betonen, dass es sich bei diesem Eingriff nicht um eine Pflichtleistung handle. Für eine Kostenübernahme braucht es für Intras eine psychiatrische Diagnose.

Der Hinweis auf Belastungen im Alltag von einem Chirurgen und dem Kinderarzt genügt Intras nicht. Bei Groupe Mutuel heisst es, die Operation werde nur in besonderen Fällen übernommen, «wenn man daraus schliessen kann, es sei für das Kind ein Problem, unter dem es leidet.»

Tipps an Betroffene:

  • Nicht locker lassen! Nach der ersten Ablehnung durch die Krankenkasse ein Wiedererwägungsgesuch stellen und nochmals möglichst detaillierte Unterlagen (Fotomaterial, Einschätzung der Ärzte) einreichen.
  • Bei erneuter Ablehnung eine beschwerdepflichtige Verfügung verlangen. Die Kasse muss daraufhin eine detaillierte schriftliche Begründung für den Entscheid liefern.
  • Diese Verfügung kann vor Gericht angefochten werden. In gewissen Kantonen (wie z.B. im Kanton Zürich oder Basel-Stadt) ist dieser Schritt sogar gratis.
  • Wer überzeugt ist, dass sein Kind bereits psychischen Schaden erlitten hat, kann ein psychiatrisches Gutachten machen lassen.

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