Ein Ort zum Verweilen. Man könnte sagen: paradiesisch. Die Wiese blüht, Bienen summen, Eidechsen huschen über Steine. Zwischen alten, hochgewachsenen Bäumen führt ein Kiesweg hindurch zu einem schattigen und lauschigen Plätzchen. Der Weg heisst Oasenweg, es ist ein Schöpfungsweg, erklärt Gaby Zimmermann. Der Garten ist das Resultat eines jahrelangen und unermüdlichen Einsatzes für mehr Vielfalt, mehr Natur auf dem Kirchgelände. «Wir müssen wieder merken, dass wir die Natur nicht nur schützen müssen, weil sie uns nützt, sondern weil wir Teil von ihr sind und sie uns guttut. Das hier ist so ein Ort, wo man das erleben kann», sagt die pensionierte Gemeindeleiterin.
Die katholische Pfarrei von Romanshorn hat als eine der ersten in der Schweiz das kirchliche Umweltlabel «Grüner Güggel» eingeführt. 2010, im UNO-Jahr der Biodiversität, erfuhr Gaby Zimmermann am Bodensee-Kirchtag vom Grünen Hahn, ein Umweltmanagementsystem für Kirchen in Deutschland. Ihr war sofort klar: So etwas braucht es auch in der Schweiz. Zusammen mit dem reformierten Theologen und Umweltberater Andreas Frei startete sie für die katholische Landeskirche Thurgau ein Pionierprojekt. 2015 erhielten die ersten Schweizer Kirchgemeinden das Zertifikat «Grüner Güggel»: Arbon, Ermatingen, Güttingen, Sirnach, eben auch Romanshorn sowie die evangelische Kirchgemeinde Meilen. Das Label ist anspruchsvoll. Durchschnittlich brauche eine Gemeinde zwei Jahre, bis sie die Zertifizierung erlangt. Im Moment haben 29 Kirchen und kirchliche Institutionen den Grünen Güggel erhalten; zwanzig weitere sind auf dem Weg dazu.
Die Initiantin freut es, dass so viele kirchliche Institutionen nachgezogen haben. Doch geht es ihr um weit mehr als die Zertifizierung: «Am wichtigsten finde ich, dass wirklich etwas passiert. Dabei gefällt mir, dass ein Prozess angestossen wird, der lange andauert und garantiert, dass die Kirchen dranbleiben und Freude haben.» Auch ihre Pfarrei in Romanshorn, die sie 23 Jahre lang geleitet hatte, bleibt dran. Die Kirschlorbeerhecke im hinteren Teil des Geländes soll durch eine Hecke mit einheimischen Sträuchern ersetzt werden. Ein Projekt, das auch dank der Teilnahme der politischen Gemeinde am kantonalen Projekt «Vorteil Naturnah» zustande gekommen ist.
Im Alten Testament heisst es: Macht euch die Erde untertan. Doch wie ist das zu verstehen? «Sicher nicht so, wie es die Menschen getan haben», sagt Gaby Zimmermann. Der Satz sei als Freibrief für die Ausbeutung der Erde durch die Menschen verstanden worden. Gott habe Mann und Frau nach seinem Ebenbild geschaffen. Doch das Verhalten mancher Menschen gegenüber der Schöpfung sei alles andere als göttlich. „Gott hat Leben erschaffen und will, dass es sich vermehrt. Und nicht, dass die Menschen die Natur kultivieren und nur zu ihrem Nutzen brauchen.»
Die Schöpfung bewahren als Auftrag Gottes. Als Christin sieht sich Gaby Zimmermann hier in der Pflicht. Doch es sei nicht nur Pflicht, sondern mache auch Freude: Weil diese Arbeit sie innerlich erfülle und mit unterschiedlichen Menschen zusammenbringe, die sich auch für die Natur engagieren.