Bei der Organspende prallen Gegensätze aufeinander, Tod und Leben: Auf der einen Seite zerbrechen Hoffnungen auf einen Schlag – auf der anderen Seite zeigt sich für schwerkranke Patienten erstmals wieder konkret ein Licht am Ende des Tunnels. Doch bis sie ihr neues Organ erhalten, sind zuerst einmal eine ganze Reihe an Untersuchungen und möglicherweise ein weiter Weg zu bewältigen.
Am Anfang eines neuen Lebens steht in der Regel der Hirntod eines Patienten. Zwei Ärzte, die nicht zum Transplantationsteam gehören, stellen unabhängig voneinander fest, dass das Gehirn des potenziellen Spenders irreversibel geschädigt ist und keinerlei Aussicht auf Besserung besteht. Einer der Ärzte darf bislang noch nicht in die Behandlung des Patienten involviert gewesen sein. Als hirntot gilt ein Patient dann, wenn die Funktion des Gross- und Kleinhirns und des Hirnstamms erloschen ist. Beatmung und Medikamente gewährleisten die Herz- und Kreislauffunktion des Patienten noch.
Auch Organe Herztoter werden genutzt
Inzwischen werden in der Schweiz auch Organe von herztoten Patienten transplantiert – jedoch nur sehr selten. Von 102 Spendern waren nur drei herztot, alle anderen hirntot. Der Grund: Die Entnahme muss sehr schnell nach dem Herzstillstand erfolgen, weil sonst die Organe absterben. Das ist für die Leber bereits nach 15 Minuten der Fall, für die Niere nach einer halben und die Lunge nach einer Stunde. Genau aus dem Grund kommen auch zuhause verstorbene Patienten nicht in Frage, denn bei ihnen ist keine Vorbereitung auf die Spende möglich.
Lebendspenden – eine Niere oder ein Stück der Leber – finden meist zwischen Familienangehörigen statt, weil bei ihnen die medizinischen Voraussetzungen häufig am ehesten stimmen.
Medizinischer Apparat nach der Freigabe
Liegt ein Spenderausweis vor oder stimmen die Angehörigen einer Organspende zu, werden die Organe auf die Entnahme vorbereitet. Das bedeutet, dass die intensivmedizinischen Massnahmen wie Beatmung und Medikamentengabe weiterhin zum Schutz der Organe aufrechterhalten werden. Zusätzlich werden die Organe auf ihre Funktion getestet sowie Bluttests zum Ausschluss von Infektionen durchgeführt. Kommt der Patient als Spender in Frage, wird er in den Operationssaal gebracht, wo bereits ein Transplantationsteam auf ihn wartet. Pro Spender konnten 2011 in der Regel vier Organe entnommen werden. Die Organe werden vor der Entnahme mit einer Konservierungslösung durchgespült, so dass sie einige Zeit ohne Blut und Sauerstoff überleben können. Dann beginnt ihre eilige Reise – je nach Entfernung per Notarztwagen, Ambulanz, Helikopter oder Flugzeug.
Bis dahin ist auch die Suche nach einem geeigneten Empfänger abgeschlossen. Die zur Verfügung stehenden Organe wurden erfasst, darüber hinaus Gewebetypen, Patientenmerkmale wie Grösse oder Gewicht und die Blutgruppe. Ein internetbasiertes Computer-Programm (SOAS – Swiss Organ Allocation System) hat die Daten mit der Schweizer Warteliste abgeglichen. Die entscheidenden Kriterien sind zunächst einmal zusammenpassende Gewebetypen und Blutgruppen sowie die Dringlichkeit. Gibt es gleich geeignete Empfänger, spielen die Erfolgschancen eine Rolle, aber auch, wie lange ein Patient schon auf der Liste steht. Die Aussichten auf ein Spenderorgan sind gering für Patienten über 65, für Krebspatienten oder Patienten mit weiteren Erkrankungen, die die Lebenserwartung zusätzlich einschränken.
Erlösender Anruf für die Wartenden
Findet sich ein Empfänger, wird dieser via Pager oder Handy informiert. Er macht sich daraufhin sofort in das entsprechende Transplantationszentrum auf den Weg, in dem er bereits vorbetreut worden ist. In der Schweiz sitzen diese Zentren in den Unikliniken in Genf (Leber, Niere, Bauspeicheldrüse, Inselzellen, Dünndarm), Lausanne (Herz, Lunge, Niere), Bern (Herz, Leber, Niere, Inselzellen), Basel (Niere) und Zürich (Herz, Leber, Lunge, Niere, Bauchspeicheldrüse, Inselzellen, Dünndarm) sowie im Kantonsspital St. Gallen (Niere).
Passen die medizinischen Merkmale auf keinen Empfänger in der Schweiz, übermittelt Swisstransplant die Daten auch an andere Organisationen, Eurotransplant zum Beispiel, die dann wiederum in ihren Dateien nach geeigneten Patienten suchen – andersherum können auch Schweizer von einem Organ aus dem Ausland profitieren. 2011 importierten Schweizer Transplantationszentren insgesamt 25 Organe, zwölf wurden aus der Schweiz ins europäische Ausland exportiert.
Der Transport muss schnell gehen: Ein Herz muss nach der Entnahme innerhalb von vier bis sechs Stunden verpflanzt worden sein. Nieren überleben in Nährlösung immerhin bis zu 30 Stunden, Lungen acht. Manchmal kann es sogar sein, dass zwei Schwerkranke von einem Organ profitieren. So wurden in der Schweiz Lungenlappen eines sehr grossen Spenders an ein Kind und einen jungen Erwachsenen transplantiert.
Anfang für die einen, Abschied für die anderen
Für die Angehörigen ist nach der Organentnahme ein Abschied möglich. Für viele ist das wichtig, denn gerade die endgültige Trennung von hirntoten Menschen kann für die Hinterbliebenen schwierig sein, weil die Haut vor dem Eingriff noch warm ist und das Herz noch schlägt. Der Leichnam wird wieder vernäht, so dass sogar eine Aufbahrung noch möglich ist.
Für erfolgreich transplantierte Patienten dagegen beginnen nun die ersten vorsichtigen Schritte in ihr neues Leben – begleitet von duzenden Tabletten gegen die Abstossung des Fremdorgans, gegen Infektionen und zur Stabilisierung.