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Den Blinddarm mit Antibiotika behandeln?

Bei einer Blinddarmentzündung greifen die Ärzte seit über hundert Jahren zum Messer. Inzwischen ist die minimal-invasive Operation üblich. Eine finnische Studie belegt, dass in vielen Fällen eine Antibiotika-Therapie reichen würde.

In der Schweiz kommen jedes Jahr 10'000 bis 11'000 Personen mit einer Blinddarmentzündung ins Spital. Bis jetzt werden die meisten Betroffenen routinemässig operiert, denn sie können problemlos ohne den kleinen Darmabschnitt leben, der entfernt wird.

Unnötige Blinddarmoperationen?

Nun sagt eine aktuelle Studie aus Finnland: Viele Blinddarmoperationen seien schlicht unnötig. Die Studie verglich erstmals bei einer grösseren Patientengruppe Operation und Antibiotika-Therapie. Nach einem Jahr waren rund 99 Prozent der Operierten beschwerdefrei und 73 Prozent der Antibiotika-Gruppe.

Negativ formuliert: Ein Viertel musste später doch noch operiert werden!

Positiv formuliert: Drei Vierteln wurde der Eingriff erspart!

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Fazit der Studie: Lokale Blinddarmentzündungen – also leichte Fälle – könnten mit Antibiotika behandelt werden, übliche Operations- und Narkoserisiken würden so vermieden. Sollen also Ärzte ihren Patienten künftig vermehrt eine Antibiotika-Behandlung vorschlagen anstatt zu operieren? Diese Diskussion ist in der Schweiz erst angelaufen. Kritikpunkte sind: Die Antibiotika-Behandlung bedingt mehr Vorabklärungen, zum Beispiel mit Computertomografie und entsprechender Strahlenbelastung. Auch erfolgt die Behandlung am Anfang intravenös im Spital.

Die Antibiotika-Therapie wäre grundsätzlich eine Alternative für Blinddarm-Patienten...

  • mit grossem Operations-Risiko (zum Beispiel Alter, Übergewicht).
  • die Narkosen schlecht vertragen.
  • mit Angst vor Operationen und Narkose.
  • die eine lokale Entzündung haben, ohne Komplikationen.

Ungeeignet für eine Antibiotika-Therapie:

  • Patienten mit Komplikationen. Bei fortgeschrittenem Verlauf müssen Blinddarmentzündungen operiert werden. Bestimmte Komplikationen werden allerdings bereits heute vorübergehend mit Antibiotika behandelt, um beispielsweise eine ausgedehnte Entzündung vor dem Eingriff zu bremsen.
  • Kinder und Jugendliche: Die Operation bleibt für junge Blinddarm-Patienten vermutlich die bessere Wahl (keine Strahlenbelastung durch CT bei Vorabklärung, keine intravenöse Antibiotika-Therapie)

Blinddarm-Entzündung

Eine Blinddarm-Entzündung betrifft nicht den eigentlichen Blinddarm, sondern den sogenannten Wurmfortsatz, der als dünner Schlauch am Blinddarm sitzt. Dieser Darm-Abschnitt kann sich von innen her entzünden, wenn Darmbakterien ins umliegende Gewebe gelangen. Die Voraussetzung dafür sind kleine Verletzungen in der schützenden Schleimhaut, zum Beispiel durch verhärteten Stuhl («Kotstein»).

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