Das Alter ist der grösste Feind der Paare, die auf ihr Wunschkind warten. Denn besonders für die Frauen tickt die biologische Uhr: Sowohl die Qualität als auch die Quantität der Eizellen nimmt ab 35 Jahren kontinuierlich ab. Dagegen haben auch Reproduktionsmediziner kein Mittel. Sie können lediglich die besten Voraussetzungen schaffen, dass sich Eizelle und Spermium erfolgreich vereinen. Dennoch: Von den 6000 künstlich befruchteten Frauen in der Schweiz werden lediglich 2000 beim ersten Versuch schwanger. Ein Paar muss sich bis zu zwei Jahre gedulden, bis der Schwangerschaftstest nach der künstlichen Befruchtung positiv ist – ein langer, belastender Weg für die Paare.
Beste Eizelle gesucht
Eine neue Methode soll nun die Schwangerschafts-Chance pro Zyklus um rund die Hälfte steigern. Doch solche Neuentwicklungen sind nicht nur medizinisch eine Herausforderung, auch juristisch ergeben sich immer wieder neue Fragestellungen. Ein Beispiel: In der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich steht die Eizelle im Fokus. Mit Hilfe der Polkörper-Diagnostik wird im Labor das genetische Material der Eizelle untersucht. Liegen grobe Mängel vor, wird die Eizelle nicht für die künstliche Befruchtung weiterverwendet. Nur die guten Eizellen werden mit einem Spermium versehen und nach der Zellteilung der Frau in die Gebärmutter eingesetzt. «Mit dieser Methode können wir die Schwangerschafts-Chancen pro Zyklus von 30 Prozent auf 70 Prozent erhöhen. Bestätigt sich diese Methode mit einer abschliessenden Studie, macht die Fortpflanzungsmedizin einen grossen Fortschritt», sagt Bruno Imthurn, Direktor der Klinik.
Doch obwohl man mit der Polkörper-Diagnostik im Labor auch Krankheiten wie zum Beispiel Trisomie 21 («Down-Syndrom») erkennt, erlaubt es das schweizerische Fortpflanzungsmedizingesetz nicht, eine solche Eizelle auszusondern. Dadurch ergibt sich eine bizarre Situation: Wird die Frau mit dieser Eizelle schwanger und erkennt später durch die Pränataldiagnostik, dass das Kind Trisomie 21 hat, darf sie laut Gesetzt den Embryo abtreiben. Mit der unerlaubten Früherkennung scheint die neue Technik damit die gesetzlichen Vorschriften zu überrollen.
Weniger Fesseln für künstliche Befruchtung
Das Fortpflanzungsmedizingesetz wird momentan im Parlament überarbeitet. Der Bundesrat will die Vorschriften zur künstlichen Befruchtung lockern. Künftig soll es erlaubt sein, Embryonen vor der Einpflanzung auf schwere Erbkrankheiten zu untersuchen.
Der Bundesrat will die heute verbotene Präimplantationsdiagnostik unter strengen Auflagen zulassen. Er sei sich bewusst, dass in der Fortpflanzungsmedizin stets das Risiko der Eugenik bestehe, also der Auswahl gewünschter Eigenschaften. Aus diesem Grund wolle er strenge Rahmenbedingungen schaffen. So soll es auch künftig nicht erlaubt sein, Embryonen auf Trisomie 21 zu testen.
Volk muss entscheiden
Zulassen will der Bundesrat aber, dass Eltern, die auf die künstliche Befruchtung zurückgreifen, pro Behandlungszyklus neu acht Embryonen in vitro entwickeln lassen dürfen. Derzeit ist die Zahl auf drei beschränkt («Dreier-Regel»).
Generell aufheben will der Bundesrat das Verbot, Embryonen aufzubewahren, um sie allenfalls später einzupflanzen. Dadurch werden Eizellen zurückhaltender eingesetzt mit dem Effekt, dass die Zahl von Mehrlingsschwangerschaften sinken, die mit Risiken für Mutter und Kinder verbunden seien.
Die neue «Achter-Regel» und die generelle Zulassung der Aufbewahrung von Embryonen bedingt eine Änderung von Artikel 119 der Bundesverfassung. Damit wird in jedem Fall das Volk das letzte Wort haben.