Gewürzroute - Streetart-Boom in Lissabon – sogar Senioren greifen zur Spraydose
Portugals Hauptstadt gilt als das Mekka für Strassenkunst. Längst ist es keine Untergrundszene mehr. Lissabons Künstler haben sich weltweit einen Namen gemacht. Die Stadt fördert die urbane Kunstszene und in Workshops lernen Senioren alles über Graffiti.
Lissabon ist berühmt für sein einzigartiges Kulturerbe: die Baudenkmäler der ehemals grössten Seefahrernation, die historischen gelben Trams oder die blauen Kacheln «Azulejos». Immer mehr Gäste reisen allerdings in die Stadt am Tejo, weil sie an einem neuen Kulturgut interessiert sind, welches das Stadtbild prägt: die Streetart.
Farbig ist die Stadt. Mauern, Skulpturen, aber auch Abfallcontainer oder Mülltransporter sind gestaltet. Nicht verunstaltet. Immer mehr Anbieter offerieren geführte Touren zu den attraktivsten Streetartwerken. Ob die Wirtschaftskrise die Portugiesen kreativ werden liess? Zumindest scheint Lissabon ein kreativer Nährboden zu sein. Angesagte international bekannte Künstler stammen von hier.
Während andere Grossstädte eine Graffiti Nulltoleranz verfolgen, erkannte Lissabon das Talent der Künstler und das Potential der Streetart. «Sie bereichtert die urbane Landschaft und führt dazu, dass die Bewohner den öffentlichen Raum mehr geniessen.» Dies sagt Ines Machado, Sprecherin der «Galeria de Arte Urbana», einem städtischen Projekt, das Streetart seit 2008 aktiv fördert. 30‘000 Euro pro Jahr investiert Lissabon in die Kunst im öffentlichen Raum.
Seit diesem Jahr organisiert die «Galeria de Arte Urbana» auch mehrtägige Streetart Festivals in Aussenquartieren. Hier leben oft ärmere Menschen. Den monotonen Mehrfamilienhäusern hauchen angesagte Künstler neues Leben ein und die Lokalbevölkerung wird animiert, ihr Quartier aktiv und kreativ mitzugestalten.
Wenn Grosseltern Graffiti-Kurse besuchen
Ein Workshop sticht dabei besonders ins Auge. Er heisst «Lata 65» (Dose 65) und richtet sich speziell an Senioren. «Diese sehen die besprühten Hauswände und haben oft Verständnisfragen», sagt Kursleiterin Lara Rodrigues. Seit fünf Jahren bringt sie der älteren Generation im ganzen Land das 1x1 der Graffitis bei. Ihre Teilnehmer haben ein Durchschnittsalter von 72. 95% seien Frauen.
Am Schluss des zweitägigen Workshops greifen die Seniorinnen selbst zur Sprühdose und gestalten eine Quartierwand. Viele wollen nicht mehr aufhören zu sprühen. Zentral ist für Kursleiterin Rodrigues auch der soziologische Aspekt. «Kinder und Enkel erhalten ein ganz anderes Bild ihrer Grosseltern. Der Workshop gibt den betagten Menschen das Gefühl etwas mitgestalten zu können.»
Streetart fördert das Zusammenleben
Dem stimmen auch die Organisatoren des Festivals zu. Das gemeinsame Erlebnis fördere den Zusammenhalt in den oft multikulturellen Stadtvierteln, es stärke das Selbstvertrauen der Bewohner, und die Resultate machen diese stolz, dort zu leben.
Im besten Fall löse die Freiluftgalerie einen Domino-Effekt aus: die Aussenquartiere würden Touristen anlocken, es komme Leben in die Strassen und die Stadt Lissabon wachse so enger zusammen.
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