«Dorthin wo der Pfeffer wächst»
«Dorthin wo der Pfeffer wächst» wünschen wir Mitmenschen, die uns fernbleiben sollen - an einen weit entfernten Ort. Kein Müssen, sondern ein drängendes Wollen war dieser Wunsch aber für die Herrscher der europäischen Königshäuser im 15. Jahrhundert. «Dorthin wo der Pfeffer wächst» - nach Indien - dorthin wünschten sie sich.
Sie wollten den direkten Zugang zum Pfeffer, aber auch zu den Gewürzen Muskat, Nelken oder Zimt, die im späten Mittelalter weit mehr waren als Würzmittel. Sie waren ein Statussymbol, bedeuteten Reichtum und Macht. Kaufleute benutzten Gewürze als Bargeld, Pfeffer wurde mit Gold aufgewogen.
Der hohe Preis hatte seine Gründe. Gewürze kamen von weit her aus dem fernen Indien. Eine Region, welche man damals geographisch nur vage im südostasiatischen Raum lokalisierte. Transportiert wurden die Spezereien auf dem Landweg. Der Gewürzhandel war damals komplett in den Händen der Araber und Venezianer. Das wollten die anderen europäischen Herrscherfamilien ändern.
Die einzige Alternative: Die Erschliessung des Seeweges nach Indien. Insbesondere zwischen der spanischen und der portugiesischen Krone entbrannte ein Wettstreit, welchen die Spanier verloren, die mit Kolumbus Indien im Westen suchten.
Kap der Stürme und der guten Hoffnungen
Als Initiator der portugiesischen Entdeckungsfahrten gilt Heinrich der Seefahrer. Er schickte seine Kapitäne bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus, die westafrikanische Küste zu erkunden und einen Weg um Afrika herum zu finden. Den Beweis, dass dies tatsächlich möglich ist, lieferte Bartholomeus Dias 1488, über ein Vierteljahrhundert nach Heinrichs Tod. Ein Sturm liess ihn im südlichen Afrika auf der Höhe des heutigen Namibia die Orientierung verlieren. Als es ihm endlich gelang wieder Kurs nach Norden aufzunehmen, lag das Land plötzlich im Westen. Afrika war umschifft. Als erster Europäer betrat Dias 1488 die Ostküste des heutigen Südafrikas. Den südlichsten Punkt Afrikas taufte der Entdecker das «Kap der Stürme». Sein König sollte es aber kurz später umtaufen in «das Kap der guten Hoffnung». Dem Weg nach Indien, der Gewürzroute zur See, stand nichts mehr im Wege.
Handelsmonopol durch Waffengewalt
Es dauerte allerdings noch zehn weitere Jahre bis die bislang grösste seefahrerische Leistung vollbracht war. Am 20. Mai 1498 betrat Vasco da Gama in Calicut indischen Boden. Die Portugiesen waren aber bei weitem nicht die ersten Europäer, die diesen Ort zu Gesicht bekamen. Sie betraten ein Land, welches in Europa längst bekannt war.
Allerdings waren alle anderen Reisenden und Händler, unter ihnen auch Marco Polo, auf dem Landweg via Ägypten angereist. Calicut war damals bereits eine stolze Handelsmetropole und ein Stapelplatz für alle erdenklichen Waren. Die wirtschaftliche Supermacht, die den Seehandel in den Gewässern vor Indien beherrschte, waren die Araber. Kanonen waren das Einzige, das die Europäer zu entgegnen hatten. Mit brutalster Waffengewalt sicherten sich die Portugiesen das Handelsmonopol im globalen Gewürzhandel.
Die ersten Containerschiffe der Weltmeere
Bereits die erste Schiffsladung Gewürze, welche da Gama zurück nach Lissabon brachte, soll 60 Mal so viel Wert gehabt haben, wie die komplette, zwei Jahre dauernde Expedition gekostet hatte. Es folgten jährliche «Indien Armadas».
Die ersten Vorgänger der heutigen Containerschiffe fuhren über die Weltmeere. Die Wirkung des portugiesischen Seeweges war auf den europäischen Märkten rasch spürbar. Bereits 1505 betrug der Pfefferpreis in Lissabon nur einen Fünftel im Vergleich zu Venedig. Die ehemalige europäische Handelsmacht war ruiniert. In Portugal erzielten die Frachten an Zimt, Nelken, Muskat, Pfeffer und weiteren Gewürzen das Zehn- bis Hundertfache des Einkaufspreises an der indischen Küste.
Aber wo liegen die Gewürzinseln?
Auf den indischen Märkten fanden die Portugiesen nebst dem lokalen Pfeffer alle erdenklichen Gewürze. Doch wo diese wuchsen, das wussten sie nach wie vor nicht. Händler aus dem fernen Osten lieferten die kostbaren Spezereien nach Indien. Den Ursprungsort des Zimts entdeckten die Portugiesen 1505 per Zufall, als ein Sturm eines ihrer Schiffe an die Küste Sri Lankas trieb. Bis sie erfuhren, dass Muskatnüsse auf den winzigen Banda Inseln und Gewürznelken auf den Sultanats-Inseln Tidore und Ternate im heutigen Indonesien wuchsen, dauerte es zehn weitere Jahre. 1512 entdeckten die Portugiesen die für die damalige Zeit wertvollsten Flecken Erde der Welt, die sagenumwobenen Gewürzinseln.
Ein Besatzungsmitglied des Entdeckerschiffs soll auch Ferdinand Magellan gewesen sein. Dieser überwarf sich später mit dem portugiesischen König und wechselte die Seite. Im Dienste der Spanier entdeckte er 1520 die später nach ihm benannte Magellan-Strasse ganz im Süden des amerikanischen Kontinents und stiess als erster von Osten kommender Europäer in indonesische Gewässer vor. Die Welt war umrundet. 1521 kam es vor den Gewürzinseln, am anderen Ende der Welt, zum Showdown der beiden europäischen Grossmächte, welche den Globus in die Zange genommen hatten. Einen klaren Sieger gab es nicht.
Die Vormachtstellung der Iberer auf den Gewürzinseln und im Welthandel währte allerdings nicht lange. Bereits Anfangs des 17. Jahrhunderts eroberten die Nordeuropäer das indonesische Inselreich, allen voran die Niederländer. Die Nelkeninseln Tidore und Ternate blieben bis zum zweiten Weltkrieg in holländischer Hand.
Die Entdeckung des Seewegs nach Indien durch die Portugiesen aber hat den globalen Handel für immer verändert.