Am Mittwoch hat die Saison der National League begonnen. In der vergangenen Spielzeit lieferten sich etwas überraschend Genf-Servette und Biel das Duell um den Titel. Können die beiden Teams ihre Leistung aus dem Vorjahr bestätigen? Welche Mannschaft hat den grössten Aufholbedarf? Darüber und noch viel mehr haben wir vor dem ersten Puckeinwurf mit dem SRF-Eishockey-Experten Christian Weber gesprochen.
SRF Sport: Welches Team wird die NL-Saison 2023/24 prägen?
Christian Weber: Die ZSC Lions. Mit Rudolfs Balcers, Derek Grant und Jesper Fröden haben sie drei unglaubliche Spieler geholt. Sie machen die Mannschaft im offensiven Bereich so stark, dass sie nur schwer zu schlagen sein wird.
Welche Aufreger erwarten Sie?
Die neuen Regeln könnten für Aufregung sorgen. Die Torhüterbehinderung wird in dieser Saison anders beurteilt, was für die Zuschauer sicher neu sein wird. Das wird auch für die Spieler ganz wichtig sein. Nach den vielen Diskussionen im letzten Jahr ist jetzt klar, wann ein Tor zählt. In der Summe dürfte es mehr Treffer geben.
Welcher neue Spieler wird zum Spektakelgarant auf Schweizer Eis?
Es muss nicht immer ein Nordamerikaner sein, ich denke der lettische Nationalspieler Balcers könnte ein Kandidat sein. Wir haben es an der letzten WM gesehen: Er ist unglaublich schnell und trickreich. Der ZSC hat hier einen wahren Spektakelspieler geholt.
Was spricht für eine Fortsetzung des Zweikampfs Genf-Servette – Biel wie in der vergangenen Saison?
Genf-Servette will seinen Titel natürlich verteidigen, das ist klar. Bei Biel folgte auf der Trainerposition mit Petri Matikainen zwar wieder ein Finne auf Antti Törmänen, dieser hat jedoch einen ganz anderen Führungsstil. Unter Umständen dürfte das ganz interessant werden, denn wenn es aufgeht, könnte das für Biel das fehlende Puzzleteil sein. Beide Teams müssen jedoch an den ZSC Lions vorbei kommen, und auch der EVZ dürfte wieder vorne mitmischen.
Rücken die Teams dahinter zusammen?
Man hat schon letzte Saison gesehen, dass es sehr viel braucht, um in die Top 6 zu kommen. Lugano und der SC Bern haben mächtig aufgerüstet und wollen einen Schritt nach vorne machen. Es wird sehr spannend zu sehen sein, wer die direkte Playoff-Qualifikation schafft.
Welches Team hat den grössten Aufholbedarf?
Ajoie. Besser als Rang 14 wäre für die Jurassier schon ein riesiger Erfolg. Ich bin sehr gespannt wie der neue Trainer Christian Wohlwend mit dieser Mannschaft umgeht und wohin der Weg führt.
Welcher Trainer muss am ehesten um seinen Job bangen?
In Lugano wird viel diskutiert, ob Luca Gianinazzi der richtige Trainer sei. Er wurde letztes Jahr ins kalte Wasser geworfen und hat in meinen Augen einen guten Job gemacht. Jetzt konnte er den ganzen Sommer mit der Mannschaft trainieren, die Erwartungshaltung in Lugano ist gross.
Wie beurteilen Sie das Produkt National League in der Saison 2023/24?
Wenn man auf die Zuschauerzahlen schaut, ist es ein unglaubliches Produkt. Die Liga ist im letzten Jahr viel attraktiver geworden. Ausländische Spieler verliessen wegen des Kriegs in der Ukraine die KHL und gingen entweder nach Schweden oder in die Schweiz. Das Niveau wurde damit extrem angehoben.
Welche Mankos weist die Liga auf?
Ich bin trotz des Spektakels immer noch der Meinung, dass 4 Ausländer reichen würden. Schweizer Spieler hätten damit viel mehr Eiszeit. Vor allem in den Special Teams werden fast nur noch Ausländer eingesetzt. Für junge Schweizer Spieler ist es so extrem schwierig, Fuss zu fassen in der National League.
Was bedeutet das in Bezug auf Nationalmannschaft?
Ich bin sehr gespannt, wie die Nationalmannschaft in 4 bis 5 Jahren aussieht. Wenn die NHL-Spieler nicht kommen können, sehe ich im Hinblick auf die WM eher schwarz. Die Nati wird immer noch gut sein, aber das Ziel ist bekanntlich eine Medaille. Diese muss in den nächsten Jahren geholt werden, denn die goldene Generation wird älter.
Das Gespräch führte Fabiana Wieser