Für Sion spielte Vilmos Vanczak 9 Jahre lang. Zum Ende seiner Karriere kehrte der Verteidiger 2018 in seine Heimat nach Ungarn zurück, wo er seit 3 Jahren als Co-Trainer bei Puskas Academy arbeitet. Mit SRF Sport sprach der 38-Jährige über das bevorstehende Duell zwischen YB und Ferencvaros Budapest in der CL-Qualifikation.
SRF Sport: Vilmos Vanczak, wie gut sind Sie über die Super League noch im Bild?
Vilmos Vanczak: Auch wenn ich Sion mittlerweile vor 5 Jahren verlassen habe, verfolge ich die Super League noch immer sehr genau. Wenn immer möglich, schaue ich die Spiele von Sion am TV. Sion hatte es in den letzten Jahren schwer, auch in dieser Saison sind sie nicht stark gestartet. Aber ich hoffe, dass sie eine Reaktion zeigen und in der Super League bleiben.
Und wie denken Sie über YB?
Als ich noch in der Schweiz war, hiess der Meister immer nur Basel, Basel, Basel. Aber in der Zwischenzeit hat YB mit einer intelligenten Strategie etwas sehr Gutes aufgebaut.
Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der Schweizer und der obersten ungarischen Liga?
Die Schweizer Liga ist etwas stärker als die ungarische – das hat sich zuletzt in den Duellen Basel - Ujpest gezeigt. Aber wir sind dabei zu wachsen und besser zu werden. Für Ungarns Fussball wäre es sehr wichtig, wenn 2, 3 Klubs immer im europäischen Bewerb vertreten sein würden. Ferencvaros hat das schon erreicht, Fehervar schied dagegen immer mal wieder in der Qualifikation oder in den Playoffs aus.
Wie wurde das Los YB im Vorfeld in Ungarn aufgenommen?
Ferencvaros hat eines der härtesten Lose erhalten, die es im Topf gab, das ist in Ungarn jedem klar. Es wird eine sehr schwierige Aufgabe, zumal in Bern auf Kunstrasen gespielt wird. Das gibt es sonst in der ungarischen Liga nirgends.
Wo liegen die Stärken von Ferencvaros?
Aktuell ist es das stärkste Team in Ungarn. Sie haben ein grosses Kader und starke Einzelspieler. Es herrscht ein harter Wettbewerb um die Stammplätze im Team. Der neue Trainer Peter Stöger lässt viel rotieren und setzt voll auf die «Königsklasse», diese ist in diesem Jahr das klare Ziel. Weil Ferencvaros letzte Saison in der Champions League war, konnte man viele gute Spieler kaufen – auch aus dem Ausland. Die Offensive mit Myrto Uzuni, Tokmac Nguen, Franck Boli oder Neuzugang Ryan Mmaee ist sicher der grösste Trumpf. Wenn sich eine Chance ergibt, schlagen sie zu.
Und welche Schwächen könnte YB ausnutzen?
Wie bei YB liegt die Stärke in der Offensive und die Schwäche eher in der Defensive. In der ungarischen Liga kann es sich Ferencvaros leisten, anzugreifen und in der Abwehr offener zu stehen. In Europa spielt Ferencvaros anders, steht defensiver und setzt auf Konter.
Worauf ist sonst bei Ferencvaros zu achten?
Ferencvaros hat seit Sommer mit Stöger einen neuen Trainer, das könnte neue Impulse geben. Sergei Rebrov, der zuvor 3 Mal Meister geworden war, hat das Team im Sommer verlassen und ein kompaktes Team hinterlassen. Stöger will an diese Philosophie anknüpfen, setzt aber noch mehr auf Arbeit und Einsatz. Viele Spieler wie Uzuni, Tokmac oder auch die Mittelfeldstrategen Igor Kharatin und Aïssa Laïdouni sind in der Schweiz vielleicht nicht bekannt, denn sie haben bislang nur in kleineren Klubs gespielt; aber hier blühen sie derzeit regelrecht auf.
Wer ist der Favorit?
Ich tippe vor allem wegen der starken Offensive auf YB. Wenn Ferencvaros es schafft, möglichst lange kein Tor zu kassieren, kann es etwas werden mit einer Überraschung. Aber das wird sehr schwer, denn die YB-Spielweise mit vielen Flanken und guter Strafraumbesetzung ist extrem schwierig zu verteidigen. Und auch der Kunstrasen in Bern könnte ein wichtiges Detail werden.
Sie selber haben gegen YB 29 Mal gespielt. Haben Sie an ein Spiel besondere Erinnerungen?
An den Cupfinal 2009 kann ich mich noch sehr gut erinnern, als ich das erste Mal Cupsieger mit Sion wurde. Wir mussten gegen YB im damaligen Stade de Suisse spielen. Es hiess immer, dass YB zuhause schwer zu schlagen sei und dann lagen wir in der Halbzeit auch noch 0:2 zurück, doch wir kamen zurück und gewannen 3:2 – das war unglaublich. Ich gewann zwar später noch 2 weitere Mal den Cup mit Sion, aber dieses erste Mal war ganz besonders.
Aus der heutigen Mannschaft von YB kennen Sie Vincent Sierro persönlich, haben mit ihm in der Saison 2015/16 in 9 Profispielen auf dem Platz gestanden. Sind Sie noch in Kontakt mit ihm?
Nein, das nicht mehr. Aber ich verfolge seine Karriere und schaue nach, wie er gespielt hat. Er ist sowohl auf dem Platz, aber auch daneben ein guter Typ.
Dann schlagen also bei YB-Ferencvaros zwei Herzen in Ihrer Brust?
Das kann man so schon nicht sagen (lacht). Auch wenn Vincent bei YB spielt, drücke ich Ferencvaros mehr die Daumen und hoffe, dass sie sich durchsetzen werden.
Das Gespräch führte Bénédict Birrer.