2012 begann Leipzigs rasanter Aufstieg von der vierthöchsten Liga Deutschlands bis in die Bundesliga. Mittendrin: Der Schweizer Goalie Fabio Coltorti. Der heutige Fussballrentner hatte den erst 2009 gegründeten Verein zusammen mit Goaliekollege Peter Gulacsi in die Top-Liga geführt.
Unvergessen bleibt sein Siegtreffer gegen Darmstadt im Aufstiegsrennen 2015 (der Aufstieg wurde in diesem Sommer noch verpasst), womit er sich quasi zur Klubikone machte.
Noch heute blickt der im spanischen Marbella wohnhafte Coltorti gerne auf die Zeit in Leipzig zurück. Er war schon früh vom umstrittenen Marketingprojekt überzeugt. «Der Klub war schon damals in der 4. Liga sehr professionell aufgestellt und organisiert – besser noch als GC in der Schweiz oder Racing Santander in Spanien», erklärt Coltorti und zieht den Vergleich mit zwei seiner Ex-Klubs.
Leipzig wie Leverkusen oder Wolfsburg
RB Leipzig ist nämlich kein gewöhnlicher Verein. Es ist das potente Fussball-Flaggschiff des in kurzer Zeit zu einem Imperium gewachsenen Geflechts des omnipräsenten Getränkeherstellers Red Bull – entstanden einzig zum Zweck des Marketings, monieren die Kritiker.
Wir benötigten sogar schon in der 4. Liga ein Sicherheitsteam, es kam immer wieder zu Handgreiflichkeiten mit den Fans.
Coltorti war und ist sich zwar bewusst, dass viel Geld vom Konzern in die Klubkasse fliesst. «Ich habe es aber überhaupt nicht als ‹Konstrukt› oder Werbe-Mannschaft erlebt.» Der 42-Jährige führt als Vergleich Leverkusen und Wolfsburg ins Feld – Vereine, bei denen ebenfalls ein Konzern im Hintergrund steht: «Diese Klubs sind ähnliche Projekte, die aber seit Jahrzehnten so laufen und mittlerweile normal sind. Als Kind habe ich nicht geschaut, wer der Sponsor ist, sondern meine Sympathien anhand dessen verteilt, was ich im Fernsehen gesehen habe. Leipzig wird in 10, 20, oder 30 Jahren auch so sein und das Thema wird weniger wichtig.»
Formstarke Leipziger gegen YB klarer Favorit
Aktuell scheint Leipzig zwar noch weit davon entfernt zu sein, in der Beliebtheitsskala der Bundesliga-Fans oben zu stehen. Früher sei es aber noch schlimmer gewesen, erinnert sich Coltorti. «Wir benötigten sogar schon in der 4. Liga ein Sicherheitsteam, es kam immer wieder zu Handgreiflichkeiten mit den Fans. Es war ein richtiger Hass gegen uns zu spüren, sei es durch Anspucken, Trittversuche oder Beschimpfungen.»
Als Kind habe ich nicht geschaut, wer der Sponsor ist, sondern meine Sympathien anhand davon verteilt, was ich im Fernsehen gesehen habe.
Dabei spielt Leipzig seit jeher attraktiven Fussball, setzt auf junge, talentierte Spieler und plant clever und langfristig. Vor allem das ehemalige Mastermind Ralf Rangnick hat grosse (positive) Spuren hinterlassen und das Projekt vorangetrieben.
Mit 4 Siegen aus den ersten 5 Pflichtspielen ist der zweifache DFB-Pokalsieger auch in diese Saison äusserst überzeugend gestartet. Bei der nächsten Zwischenstation am Dienstag zum Auftakt der Champions League im Berner Wankdorf gegen die Young Boys sind die Deutschen klarer Favorit.
Bei aller Qualität und Kompetenz: Der Vorwurf des Marketingprojektes lässt sich schwer entkräften. RB Leipzig bleibt wohl noch länger ein ausgezeichnet gemanagtes Premiumprodukt, das attraktiven und erfolgreichen Fussball garantiert, aber die Grundwerte vieler Fans unterwandert.