Der Saisonstart ist dem FC St. Gallen mit 11 Punkten aus 6 Partien geglückt. Das mitunter erfrischend-chaotische Team von Trainer Peter Zeidler hat an Stabilität gewonnen – nicht zuletzt dank der Rückkehr des «verlorenen Sohns». Nach einem Abstecher zu St. Pauli ist Betim Fazliji zurück in seiner Heimat. Auf der Sechser-Position wurde der im Rheintal aufgewachsene 24-Jährige umgehend wieder Stammspieler, scheint sich wohlzufühlen.
«Ich war zum ersten Mal weg von zu Hause, mir fehlten die Familie und die Freunde. Und als ich endlich in Fahrt gekommen war, spielte die Mannschaft so gut, dass es keine Wechsel brauchte», erklärt Fazliji den Abbruch seines Deutschland-Abenteuers.
Man muss sich nur die Namen anschauen. Xhaka, Zakaria, Freuler.
Heimweh als Leistungsdämpfer. Doch mit dem Heimatbegriff ist es so eine Sache, man könnte sagen, es wohnen zwei Seelen in Fazlijis Brust. 2020 schnürte er, der im Südosten Serbiens geboren ist, die Schuhe noch für die Schweizer U20-Nati. Mittlerweile ist er 20-facher Nationalspieler des Kosovo.
Wieso wählte er den Kosovo? Es ist ein Entscheid der Kategorie «Kopf über Herz». Fazliji wollte unbedingt in einem Nationalteam spielen, doch auf seiner Position herrschte ein Konkurrenzkampf voller Prominenz: «Man muss sich nur die Namen anschauen. Xhaka, Zakaria, Freuler: Das sind alles Weltklasse-Spieler.» Er bereue nicht, so entschieden zu haben.
Ich liebe den Kosovo und die Schweiz gleichermassen.
Der Pro-Kosovo-Entschluss sei indes auf keinen Fall als Kontra-Schweiz-Einstellung zu verstehen: «Ich liebe den Kosovo und die Schweiz gleichermassen. Und ich war enttäuscht, als ich in den Schweizer Medien las, es sei ein Entscheid gegen die Schweiz gewesen.» Mit ausschlaggebend sei ausgerechnet ein Schweizer gewesen. Der damalige Kosovo-Trainer Bernard Challandes, der «sich sehr um mich bemühte», so Fazliji.
Nun kommt es am Samstag in Pristina zum zweiten Aufeinandertreffen mit der Schweiz. Im März 2022 trennte man sich in einem friedlichen Testkick im Letzigrund 1:1. In der EM-Quali steht nun mehr auf dem Spiel. Fazliji freut sich: «Ich denke, dass es für viele ein Gefühlschaos wird, denn auf beiden Seiten gibt es Spieler mit Wurzeln im jeweils anderen Land. Es wird ein ‹Freundschaftsspiel›, in dem es aber auch um wichtige Punkte geht.»
Ein Kosovo-Sextett ist in der Schweiz geboren
In der Tat: Im Kader von Kosovos Nationalteam finden sich einige Spieler mit Bezug zur Schweiz. Fidan Aliti, Ismajl Beka, Florent Hadergjonaj, Kreshnik Hajrizi, Andi Hoti und Arijanet Muric sind alle in der Schweiz geboren.
Mit bisher drei Punkten aus vier Spielen verlief der Start in die EM-Qualifikation unter den Erwartungen. Auch zum Unverständnis Fazlijis: «Wenn ich die einzelnen Spieler unseres Teams anschaue, verstehe ich nicht, wie wir gegen Andorra nur unentschieden spielen und gegen Belarus verlieren konnten. Ich denke, dass die Qualität da wäre, in der Gruppe vorne mitzuspielen.»
Nun sollen ausgerechnet gegen den Gruppenfavoriten Schweiz Punkte her. Die eine Seele in Fazlijis Brust muss für 90 Minuten ruhen. Ausnahmsweise gilt für ihn dann nicht: «Ich fiebere immer noch sehr mit der Nati mit und hoffe, dass sie in Zukunft noch mehr Erfolge feiern kann.»