Die grosse Marta konnte ihre Tränen nicht mehr aufhalten. Das drohende WM-Aus, ihr nahender Abschied, der Rückblick auf ihre Kindheit – das alles war einen Tag vor Brasiliens letztem Gruppenspiel zu viel für die 37-Jährige. «Vor 20 Jahren kannte niemand auf der Welt Marta. Und jetzt all das hier», sagte die sechsmalige Weltfussballerin am Dienstag in Melbourne vor der Medienschar und bekam feuchte Augen.
Wie hätte ich begreifen können, dass ich es bis in die Nationalmannschaft schaffen und selbst zu einem Vorbild werden kann? Jetzt sagen Eltern zu mir: ‹Meine Tochter liebt dich, sie möchte genau so sein wie du.›
Längst ist Marta mit all ihren Rekorden ein Vorbild für Kinder, und genau das macht sie kurz vor dem Ende ihrer Karriere so emotional. «Wissen Sie, was gut ist? Als ich anfing, gab es im Frauen-Fussball keine Idole, an die ich mich hätte halten können. Das ist jetzt anders», sagte Marta.
Denn Marta Vieira da Silva ist selbst zur Ikone geworden – eine Ikone, die am Mittwoch die WM-Bühne für immer verlassen könnte. Brasilien benötigt in Melbourne gegen Jamaika einen Sieg, um sicher die Achtelfinals zu erreichen. Die Seleçao – und damit auch Marta – hat den Titel bislang noch nie gewonnen. Das Turnier in Australien und Neuseeland werde ihr letzter Versuch, hatte Marta angekündigt.
In neuer Rolle zu weiteren Rekorden
Aufgewachsen in Armut, war eine Welt-Karriere wie die ihre kaum abzusehen für die Frau aus dem kleinen Dois Riachos. Vorbilder wie sie selbst gab es für sie als Kind nicht. «Wie hätte das auch sein können, wenn Frauen-Fussball nicht gezeigt wurde? Wie hätte ich begreifen können, dass ich es bis in die Nationalmannschaft schaffen und selbst zu einem Vorbild werden kann? Jetzt gehe ich auf die Strasse und die Leute halten mich an. Eltern sagen zu mir: ‹Meine Tochter liebt dich, sie möchte genau so sein wie du.›»
Zum Beispiel eine Kämpferin. Mit einem Kreuzbandriss war Marta zuletzt fast ein ganzes Jahr ausgefallen und schaffte es doch zur WM. Dort kam sie gegen Panama (4:0) und Frankreich (1:2) jeweils erst in der Schlussphase ins Spiel. Auch gegen Jamaika wird sie wohl nur als Joker versuchen, ihre bestehenden Rekorde auszubauen.
Davon hat sie genug: Mit 17 WM-Toren überbietet sie sogar die Männerbestmarke von Miroslav Klose (16), als eine von nur drei Spielerinnen traf sie bei 5 verschiedenen WM-Turnieren, in 156 Länderspielen gelangen ihr 108 Treffer – mehr als den männlichen Superstars Pelé oder Neymar. 2007 war sie dem Titel ganz nah, verlor aber den Final gegen Deutschland.
Und jetzt? Folgt am Mittwoch tatsächlich der «letzte Tanz» der grossen Marta? «Wir werden sehen, was passiert», sagte sie am Dienstag. Und hatte wieder Tränen in den Augen.