«Ich kam heute nicht mit dem Gedanken hierher, dass wir nach Hause fahren würden». Kanadas Headcoach Bev Priestman konnte ihre Enttäuschung nach dem Vorrunden-Out nicht kaschieren. «Es tut momentan höllisch weh, aber wir werden daraus lernen.»
Wie das Aus zustande kam, war besonders «höllisch»: Als Team im erweiterten Favoritenkreis in die Endrunde gestartet, wurden die Kanadierinnen von Co-Gastgeber Australien mit 4:0 gedemütigt. Das reichte nach dem 0:0 gegen Nigeria und dem Minisieg über Aussenseiter Irland nicht. Erstmals in der Geschichte der Frauen-WM überstand damit ein amtierender Olympiasieger die darauffolgende WM-Gruppenphase nicht.
«Dinge müssen sich ändern»
Die 40-jährige Christine Sinclair, die seit dem Jahr 2000 über 320 Partien im Nationaldress bestritten hat, fand klare Worte: «Unser Verband – ich meine, die Dinge müssen sich ändern. Wir haben keine professionelle Liga. Wir bieten Spielerinnen keinen Weg an, wie sie ins Nationalteam vorstossen können. Wenn das kein Weckruf ist, weiss ich nicht, was es dazu braucht.»
Der Wurm ist im kanadischen Fussball in der Tat schon länger drin. Es herrscht ein Verteilungskampf zwischen Verband, Klubs und (National-)Spielerinnen und -Spielern. Vor dem SheBelieves Cup im Februar drohten die Spielerinnen mit Streik, nachdem der Verband das Budget für 2023 zusammengekürzt und unter anderem bei den Trainingslagern gespart hatte. Erst vor wenigen Tagen konnte eine temporäre Vereinbarung über die Abgeltung 2023 gefunden werden.
Umstrittener Vermarktungsdeal
Dass Canada Soccer so klamm ist, hat sich der Verband allerdings selbst zuzuschreiben: Er verkaufte die TV- und Sponsoringrechte an ein Unternehmen im Besitz der Liga-Präsidenten. Der 10-Jahres-Vertrag, der bereits 2018 abgeschlossen wurde, garantiert dem Verband zwar 3 Millionen Kanada-Dollar pro Jahr, ist aber inzwischen geschätzte 15 Millionen wert.
Binnen Wochen nahmen 2023 Verbandspräsident Nick Bontis und Generalsekretär Earl Cochrane den Hut. Cochrane hatte vor einer Parlamentskommission antraben müssen. Dort hatte er eingeräumt, dass die Budgetkürzung bei den Nationalteams ein Fehler gewesen sei. Sein interimistischer Nachfolger Jason deVos schloss aber sogar einen Konkurs des Verbands nicht aus.
Schlüsselspiele um Olympia-Quali
Nationalcoach Priestman blickt derweil in die Zukunft. Im September spielt Kanada in zwei Playoff-Partien gegen Jamaika um den letzten Olympia-Platz der Nord- und Mittelamerika-Konföderation. «Alle sagen, wie entscheidend September wird.» Damit der kanadische Frauenfussball wieder Licht am Ende des Tunnels sieht.