«This is world cup traffic», erklärt der Taxifahrer, als wir uns im Schneckentempo in Richtung Autobahn bewegen. Stossstange an Stossstange rollt die Blechlawine stadtauswärts. Wir sind auf dem Weg zum Eröffnungsspiel ins Al-Bayt Stadium in Al-Khor, das eine knappe Autostunde ausserhalb Dohas liegt. Die Geschwindigkeit, mit der wir uns zu Beginn fortbewegen, sollte jener des Eröffnungsspiels gleichen. Doch dazu später mehr.
Beim Stadion angekommen, geht alles relativ zügig. Ob es vielleicht damit zu tun hat, dass die zahlreichen VIPs bereits gemütlich in ihren Lounges sitzen und an ihrem Bier nippen? «Bier? Gibt es doch keines!», mögen Sie jetzt einwenden. Das stimmt, gilt aber nur für den einfachen Fussball-Fan. Nicht für die VIPs. Und für die VVIPs schon gar nicht. Das flüssige Gold, es fliesst – nur nicht für alle.
«Queremos Cerveza!» – wir möchten Bier! – stimmen die ecuadorianischen Fans deshalb im Stadion an. Gehör verschaffen sie sich damit selbstredend keines, doch immerhin sorgen die Anhänger von «La Tri» für etwas Stimmung in diesem Fussballtempel, der nach der WM teilweise zurückgebaut werden soll.
Auch viele Katarer haben den Weg ins schmucke Stadion gefunden, das mit über 67'000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauft ist. Anhänger in Katar-Shirts sieht man – abgesehen vom Fanblock gleich hinter dem Tor – dennoch erstaunlich wenig. Dabei hatte mir Ladenbesitzer Jelil im Souq, dem grössten Markt Dohas, tags zuvor aufgeregt erzählt, dass sämtliche Trikots ausverkauft seien. Es war wohl auf sein eigenes Geschäft bezogen.
Den Peak aus Katar-Sicht erreicht die Stimmung, als Schiedsrichter Daniele Orsato das vermeintliche 1:0 Ecuadors wegen Abseits annulliert. Der junge Fan nebenan klatscht so wild in die Hände, dass sein Burger auf dem Schoss seines Vaters landet. Apropos Essen: Das ist bereits in der Halbzeitpause ausverkauft. «Sorry madam, no more food, only soft drinks», entschuldigt sich der Volunteer freundlich.
Bei der Rückkehr zum Platz traut man seinen Augen kaum. Das Stadion ist plötzlich halb leer. «Vielleicht sind die Leute noch auf der Suche nach Verpflegung», denke ich mir. Doch jene, die weg sind, kommen nicht wieder. Das hat man so an einem WM-Eröffnungsspiel wohl noch nie gesehen. Verpasst haben sie in der zweiten Halbzeit nichts. Ob die VVIPs wohl bis zum Schluss geblieben sind?