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Ana-Maria Crnogorcevic «Da dachte ich: ‹Geh hin und mach es besser!›»

Kurz vor ihrer Rückkehr in die USA spricht Nati-Spielerin Ana-Maria Crnogorcevic im Interview über ihr «interessantes» Jahr 2024, individuelle Proteinshakes und ein mögliches Engagement in der Schweiz.

SRF Sport: Ana-Maria Crnogorcevic, das EURO-Jahr 2025 ist angebrochen. Hatten Sie in den letzten Wochen Zeit, 2024 etwas Revue passieren zu lassen und zu verarbeiten?

Ana-Maria Crnogorcevic: Ja, die hatte ich. Ich habe schon lange nicht mehr so viel Zeit zuhause in der Schweiz verbracht und bin daneben auch etwas gereist. Ich war für einige Tage in Mexiko und auch in den Bergen. In solchen Momenten blickt man automatisch auch auf das Jahr zurück. Es war sicher ein gutes, vor allem aber ein interessantes Jahr. Wir bekamen eine neue Nati-Trainerin, ich habe den Klub gewechselt. Mit der Wahl von Seattle bin ich zufrieden, das passt sehr gut, es gefällt mir. Ich gehe das Jahr 2025 mit viel Zuversicht und Freude an.

Was war im vergangenen Jahr die grösste Herausforderung?

Ich denke schon, dass es der Trainerwechsel in der Nati war (Pia Sundhage folgte auf Inka Grings, Anm. d. Red.) . 2023 war resultatmässig und auch spielerisch ein Jahr zum Vergessen. Wir als Team wollten aus diesem Tief unbedingt rauskommen und wieder gute Resultate erzielen, wieder gut Fussball spielen. Das haben wir mehrheitlich geschafft. Wir hatten einige sehr gute Spiele, aber auch einige, wo man sieht, was noch fehlt. Die Herausforderung war herauszufinden, wo wir stehen und wie wir das im Hinblick auf die EM anpacken wollen. Im Grossen und Ganzen haben wir das gut gemacht.

In Kürze reisen Sie zurück in die USA, dort starten Sie mit Ihrem Verein Seattle Reign FC in die Vorbereitung. Mit welchen Gefühlen werden Sie ins Flugzeug steigen?

Mit sehr guten Gefühlen! Ich konnte die letzten Wochen geniessen und herunterfahren, ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt mehrere Tage am Stück «fussballfrei» hatte und mir auch herausnehmen konnte, einfach mal nichts zu tun. Jetzt freue ich mich aber darauf, in die USA zurückzukehren und die Vorbereitung aufzunehmen.

Die Saison in der NWSL beginnt erst Mitte März und dauert bis im November. Ist das eine grosse Umstellung für Sie?

Ich kenne das schon aus meiner Zeit bei Portland. Natürlich ist es anders als in Europa, es hat aber auch Vorteile. Nehmen wir das Beispiel Olympische Spiele im Vorjahr: Für europäische Mannschaften fand das Turnier am Ende der Saison statt, die Spielerinnen hatten schon 40 bis 50 Spiele in den Beinen. Für die Amerikanerinnen kam es mitten in der Saison. Sie beginnen im März und sind dann im Juli/August auf dem Peak ihrer Leistungsfähigkeit. Das hat man meiner Meinung nach auch auf dem Feld gesehen, sie waren frisch und bereit. Ich hoffe, dass ich auch davon profitieren kann. Es ist sicher eine Umstellung, klar, aber vor allem auch eine Chance. Ich hoffe, dass ich viel Positives daraus ziehen kann.

Wie sehen Sie Ihre Rolle bei Seattle?

Ich wechselte im vergangenen August, also mitten in der Saison. Das Team hatte einen schwachen Start hinter sich, was auch mit den zahlreichen Wechseln zusammenhing. So hat beispielsweise Ikone Megan Rapinoe ihren Rücktritt verkündet und das Team verlassen. Ausserdem sind neue, junge Spielerinnen gekommen. Es war also eine Übergangsphase und dieser Umbruch ist noch nicht abgeschlossen. Ich denke, dass ich dem Team mit meiner Erfahrung helfen kann.

Die Chancen sind intakt, dass wir uns erstmals für einen EM-Viertelfinal qualifizieren können.

Wie würden Sie den Fussball in den USA beschreiben? Was zeichnet ihn aus?

Er hat sich auf jeden Fall weiterentwickelt. Es ist nicht mehr ausschliesslich «Kick and Rush», so wie dies früher der Fall war. Mittlerweile gibt es sehr viele junge und talentierte Spielerinnen, die technisch stark sind. Wir haben eine englische Trainerin, die Wert auf gepflegten Fussball legt. Er ist auf jeden Fall sehr physisch, sehr laufstark. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich gegen lauter Mujinga Kambundjis spiele, weil alle so schnell sind (lacht). Grundsätzlich ist die Liga sehr ausgeglichen und kompetitiv.

Das EURO-Jahr 2025 hat begonnen. Wird das Heimturnier für Sie jetzt noch einmal greifbarer?

Aktuell noch nicht. An der Auslosung Mitte Dezember in Lausanne war dies aber der Fall. Dort hat man gespürt: So, jetzt geht es langsam los. Die Gruppen sind ausgelost, man macht sich Gedanken über das Team-Basecamp und so weiter. Spätestens beim Zusammenzug mit der Nati im Februar wird man noch mehr damit konfrontiert werden. Aber es sind noch sechs Monate. In sechs Monaten kann viel passieren, ob positiv oder negativ. Ich nehme deshalb Schritt für Schritt.

Nun, mit einigen Wochen Abstand: Wie schätzen Sie die Auslosung mit den Gegnern Norwegen, Island und Finnland ein?

Es ist sicher ein gutes Los. Mein erster Gedanke war: Spielen wir hier einen skandinavischen Cup-Wettbewerb (lacht)? Im Ernst: Skandinavische Mannschaften lagen uns in der Vergangenheit gut. Es sind Teams, gegen die wir schon positive Erfahrungen machen durften. Es ist etwas anderes, wenn man sich beispielsweise die Gruppe D anschaut: Frankreich, England, Niederlande – das ist eine Riesengruppe. Ich bin deshalb zufrieden mit unserer Auslosung. Aber eines ist klar: Es ist kein Selbstläufer, wir müssen 100 Prozent geben, um weiterzukommen. Die Chancen sind aber intakt, dass wir uns erstmals für einen EM-Viertelfinal qualifizieren können.

Was muss für Sie persönlich in den nächsten sechs Monaten passieren, damit Sie mit einem guten Gefühl in die EM starten?

Gesund sein! Das ist das Wichtigste. Natürlich möchte ich mit Seattle erfolgreiche Spiele absolvieren. Mit der Nati möchten wir die sechs Nations-League-Spiele positiv gestalten und den einen oder anderen Sieg einfahren.

Was dürfen die Fussball-Fans im Sommer von Ana-Maria Crnogorcevic erwarten?

Natürlich Vollgas! Das ist das Minimum. Ich werde an die Leistungsgrenze gehen und alles für das Team geben, damit es eine erfolgreiche Heim-EM werden kann.

Spüren Sie dieses Feuer auch bei den Mitspielerinnen und dem Staff?

Natürlich. Ich kann zwar nur von mir sprechen, aber ich gehe schwer davon aus, dass meine Mitspielerinnen genau gleich denken. Der Staff steckt schon akribisch in den Vorbereitungen: Physiotherapeuten, Ärzte, Trainerteam – es wird alles in die Wege geleitet, damit wir bestmöglich vorbereitet sind.

Es gibt also aktuell keinen Mahnfinger, den Sie heben müssen?

Bis jetzt läuft alles nach Plan, wir werden regelmässig informiert. Möchten wir lieber Schokoladen- oder Vanillegeschmack im Proteinshake haben? Es wird nichts dem Zufall überlassen, wir sind wirklich bestens aufgehoben.

Ich würde gerne meine Erfahrungen irgendwo im Schweizer Frauenfussball weitergeben.

Wenn Sie jetzt über solche Themen sprechen: Lassen Sie uns in der Zeit etwas zurückreisen, beispielsweise zu Ihren Anfängen in Thun. Staunen Sie manchmal selbst, was in der Zwischenzeit alles passiert ist?

Auf jeden Fall! Wir konnten uns damals knapp einen Masseur leisten. Keine Rede von Physiotherapeuten oder gar vorbereiteten Proteinshakes (lacht). Die Zeiten haben sich wirklich geändert. Ich hoffe, dass wir in dieser Entwicklung noch lange nicht am Ende sind.

Sie gehören mit 34 Jahren zu den erfahrenen Spielerinnen, die auch die «alten» Zeiten noch kennen. Müssen Sie das manchmal Ihren jüngeren Teamkolleginnen erklären und sie bitten, etwas demütiger zu sein?

Absolut! Manchmal muss und möchte ich das wirklich tun. Ich habe gerade jüngst wieder eine solche Erfahrung gemacht. Es ging um Prämien für die Qualifikation für eine EM oder WM. Wir haben das mit dem Verband ausgehandelt und das Team dann über das Ergebnis informiert. Eine junge Spielerin meldete sich dann prompt und fragte: «Nur so viel?» Da dachte ich: ‹Geh selbst hin und mach es besser!› Es ist schon wichtig, das Ganze hin und wieder in Relation zu setzen. Für unsere erste WM-Qualifikation bekamen wir knapp 2000 Franken.

Sie befinden sich in der letzten Phase Ihrer Aktivkarriere, Ihr Vertrag bei Seattle läuft noch bis Ende Saison. Wie weit sind Sie schon in der Planung, was Ihre weitere Zukunft betrifft?

Ich plane nicht mehr so weit im Voraus. Das Leben ist so unberechenbar. Ich habe noch einen Vertrag, den ich definitiv erfüllen möchte. Was danach kommt, kann ich noch nicht sagen. Bleibe ich ein Jahr? Möchte ich noch einmal etwas anderes ausprobieren? Aber ich werde sicher nicht noch fünf Jahre weiterspielen.

Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal in der Schweiz zu spielen?

Definitiv. Ich habe hier begonnen, bin bei Rot-Schwarz Thun gross geworden. Ich würde gerne meine Erfahrungen irgendwo im Schweizer Frauenfussball weitergeben. Irgendwo zu helfen und zu unterstützen – diese Option gibt es auf jeden Fall.

Das Gespräch führte Svenja Mastroberardino.

SRF zwei, Sportflash, 13.01.2025, 23:10 Uhr ; 

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