«Ich befinde mich ausserhalb der Komfortzone», sagt Nora Häuptle. Seit Anfang Jahr trainiert sie das ghanaische Frauen-Nationalteam. Die Schweizerin ergänzt diese Aussage mit der Feststellung: «Ich lerne sehr viel über mich und auch über andere Aspekte des Fussballs.» Das Klima ist sehr heiss und feucht. Auch kulturell unterscheidet sich das Leben in der ehemaligen britischen Kolonie vom Alltag in der Schweiz.
Kunstrasen zu heiss fürs Training
«Es sind immer Emotionen dabei. Vor den Spielen wird immer gesungen. Das sind Gänsehautmomente, die wir in der Art nicht kennen», so die 39-Jährige. Mit den Spielerinnen kommuniziert sie auf Englisch, sofern dies möglich ist. «Die Bandbreite im Team reicht von der Analphabetin bis zur College-Studentin.»
Wir können nur von 16 Uhr bis 18 Uhr auf den Platz. Die Stromkosten für eine Flutlichtanlage sind zu teuer.
Die Thurgauerin, die ihre Arbeit als SRF-Expertin kürzlich beendet hat, ist auf vielen Ebenen gefordert. Eine Challenge ist die Trainingsplanung. So können die Spielerinnen nur von 6 Uhr morgens bis etwa 10 Uhr trainieren – da der Kunstrasen nachher zu heiss wird, um darauf zu stehen. «Die Spielerinnen bekommen richtige Brandblasen in den Schuhen», so Häuptle.
Strom zu teuer für Flutlicht
Auch die Trainingszeiten am Abend sind eingeschränkt: «Wir können nur von 16 Uhr bis 18 Uhr auf den Platz. Die Stromkosten für eine Flutlichtanlage sind zu teuer.» Dass es im gesamten Land nur wenige Kunstrasenplätze gibt und sonst auf Sandplätzen, welche mit Kreide eingezeichnet werden, trainiert wird, ist für Häuptle kein Problem: «Bei uns in der Region sind die Spielerinnen vor allem technisch gut ausgebildet. Das kommt davon, dass sie viel auf Natur- und Sandböden spielen.»
Häuptle ist schon seit 14 Jahren Trainerin. Ihre erste Station waren die U14/U15-Junioren beim FC Thun, ab 2015 folgte die Schweizer U19-Frauennati. Weiter ging es für eine Saison zum SC Sand in die deutsche Bundesliga, ehe sie für ein kurzes Intermezzo beim israelischen Verband anheuerte.
Scouting-Reisen quer durch Europa
Im Sommer 2022 wurde die Schweizerin von Bernhard Lippert, Technischer Direktor von Ghana, angefragt, ob sie das Team bei der U20-WM in Costa Rica unterstützen wolle. Die 39-Jährige sagte zu und konnte so beim Verband «reinschnuppern». Als im Januar 2023 der Trainerposten des A-Teams der «Black Queens» frei wurde, sagte sie zu.
In Ghana lebt sie die Hälfte der Zeit. Ihren Wohnsitz hat sie weiterhin in Bern. Zum einen leben Familie und Partnerin in der Schweiz, zum anderen macht sie das Scouting von hier aus. «Die meisten Spielerinnen stehen bei europäischen Klubs unter Vertrag, von daher bietet sich das an», sagt Häuptle. So hat sie in den letzten Monaten Spielerinnen in England, Dänemark und der Türkei besucht.
Mission Volta
Ghana liegt in der Weltrangliste auf dem 58. Platz. Dennoch hat das Land ambitionierte Ziele. Die Schweizerin will sich mit ihrem Team für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifizieren. Um dies zu erreichen, hat Ghana die «Mission Volta» ausgerufen.
Der Volta ist ein Fluss, welcher vom Norden Ghanas bis in den Süden mäandert und sinnbildlich für den Teamprozess steht. «Das Wort kommt aus dem Portugiesischen und heisst so viel wie ‹drehen› oder ‹wenden›», führt die Trainerin aus. «Wir wollen uns zum Erfolg wenden!»