Ziemlich genau 4 Jahre ist es her, als Johan Djourou letztmals im Trikot der Nati auflief. Wie nahe er dem aktuellen Team noch steht, zeigte sich bei den jüngsten Nations-League-Spielen. Der Romand, seit einigen Monaten Experte bei RTS, liess es sich sowohl in Saragossa wie auch in St. Gallen nicht nehmen, unmittelbar nach Spielschluss mit seinen ehemaligen Mitspielern einen kurzen Schwatz am Spielfeldrand zu halten.
Johan Djourou, Sie stehen seit diesem Frühling als Experte für RTS im Einsatz. Wie gut gefällt Ihnen Ihre neue Rolle?
Sehr gut, danke der Nachfrage. Es ist schön, weiterhin nahe am Fussball und der Nationalmannschaft zu sein. Es macht Spass, zu analysieren und den ein oder anderen Input zu geben. Bis jetzt war es super.
Die Nations-League-Kampagne der Schweiz ist zu Ende. Wie fällt Ihr generelles Fazit aus?
Es war eine Mischung, es gab Licht und Schatten. Der Beginn war mit dem 1:2 gegen Tschechien schwierig, dann kam dieses vielzitierte Spiel gegen Portugal (0:4-Niederlage, Anm. d. Red.) und eine weitere Niederlage gegen Spanien. Dann hat die Mannschaft aber gut reagiert und ein neues Gesicht gezeigt. Die Organisation hat zu Beginn gefehlt, in dieser Hinsicht hat sich das Team massiv gesteigert.
Waren Sie überrascht, dass die Schweiz den Turnaround nach dem schwierigen Start geschafft hat?
Nein, denn diese Mannschaft hat viel Charakter. Es ist ein Team mit grossen Persönlichkeiten. Angefangen bei Trainer Murat Yakin über Spieler wie Granit Xhaka. Sie verfügen über grosse internationale Erfahrung. Der Fussball ist nun einmal so, es kann nicht immer nur in eine Richtung gehen.
Was imponiert Ihnen an dieser Mannschaft am meisten?
Ihre Disziplin. Sie war und ist der Schlüssel zum Erfolg. Diese Solidarität beispielsweise im Spiel gegen Spanien hat mich beeindruckt. Ich hoffe, das können sie beibehalten.
Sie haben vorhin Murat Yakin angesprochen. Er ist seit etwas mehr als einem Jahr im Amt. Können Sie seine Handschrift erkennen?
Ja, ich denke schon. Wie die Mannschaft reagiert hat, ist sicher auch sein Verdienst. Er hat die vorhin erwähnte Disziplin und das Zusammengehörigkeitsgefühl auf jeden Fall gestärkt.
Yakin setzt in der Abwehr – anders als sein Vorgänger Vladimir Petkovic – ganz klar auf die Viererkette. Ist das das richtige System für dieses Team?
Das ist gewissermassen eine Gefühlsfrage. Wenn der Trainer das Gefühl hat und sich dafür entscheidet, dann ist es auch das richtige System. Natürlich hätte Yakin auch das Personal, um mit einer Dreierkette zu spielen. Aber zuletzt lief es sehr gut. Die Spieler, die in der Nati zum Einsatz kommen, spielen auch in ihren Klubs. Das ist ohnehin das Wichtigste.
Manuel Akanji war in den letzten Wochen in aller Munde. Waren Sie ob seines Wechsels zu Manchester City überrascht?
Nein, überhaupt nicht. Manuel hat grosse Qualitäten. Ich bin überzeugt, dass er noch mehr Potenzial hat und sich weiter verbessern kann. Ich kenne ihn gut, wir haben noch gemeinsam gespielt. Er ist ein Spieler mit sehr viel Selbstvertrauen. Ich hoffe sehr, dass er diese gute Form halten kann.
Neben ihm scheint Nico Elvedi in der Innenverteidigung gesetzt. Das ist bitter für Fabian Schär, der bei Newcastle ebenfalls eine sehr gute Saison zeigt. Sie haben an seiner Seite zwei Endrunden gespielt. Was denken Sie, wie geht er mit dieser Situation um?
Wissen Sie, das klingt jetzt lapidar, aber so ist der Fussball. Als Spieler musst du das akzeptieren. Das heisst nicht, dass du keine wichtige Rolle spielst. Du bist Teil der Mannschaft und musst ready sein, wenn du gebraucht wirst. Das Spiel gegen Tschechien ist ein gutes Beispiel dafür. Nico ist ein super Spieler und hat sich enorm entwickelt, er macht das bei Gladbach sehr gut. Dasselbe gilt für Fabian. Am Ende entscheidet der Trainer, das gilt es anzunehmen.
Xherdan Shaqiri kommt in der Nati unter Yakin hauptsächlich auf dem rechten Flügel zum Einsatz. Ist das die richtige Position für ihn in diesem Team?
Zuletzt hat es gut funktioniert. Es ist natürlich eine ganz andere Rolle, als wenn er als «Zehner» spielt. Er muss auf dem Flügel mehr Defensivarbeit verrichten. Wenn «Shaq» fit ist, dann ist das kein Problem. Auch wenn es nicht für die vollen 90 Minuten reicht: Er ist ein Top-Spieler, wir brauchen ihn.
Ist Shaqiri Ihrer Meinung nach ein Spieler, der auch von der Bank kommen und den Unterschied ausmachen könnte?
Für mich ist klar: Wenn Shaqiri fit ist, muss er spielen. Wenn du einen Spieler wie ihn im Team hast, dann musst du ihn von Anfang an bringen. Dass die Saison für ihn in den USA bereits vorbei ist, ist nicht einfach. Aber er verfügt über viel Erfahrung und weiss, wie es läuft. Es wird an Yakin liegen, mit dem richtigen Gespür die Entscheidung zu treffen, die am Tag X die richtige ist.
Bis zur WM dauert es jetzt noch knapp 2 Monate. Mit Brasilien und Serbien haben sich zwei Gruppengegner der Nati zuletzt in sehr guter Form präsentiert. Ihre Einschätzung?
Da müssen wir nicht um den heissen Brei herumreden: Das ist eine sehr schwierige Gruppe, vielleicht die schwierigste überhaupt. Das erste Spiel gegen Kamerun wird ein Schlüssel sein.
Sie kennen aus dem aktuellen Team viele Spieler, haben noch mit ihnen zusammengespielt. Es macht den Eindruck, als wäre die Mannschaft eine richtige Einheit. Teilen Sie diese Einschätzung?
Auf jeden Fall. Der Teamspirit war auch zu meiner Zeit immer gut. Es ist klar, dass die Medien immer nach etwas Negativem suchen (schmunzelt). Wenn ein neuer Trainer kommt, braucht das immer Zeit. Bei der Nationalmannschaft noch viel mehr, weil du nicht die Möglichkeit hast, jeden Tag mit den Spielern zusammenzuarbeiten.