Seit Anfang Jahr ist Roger Stilz als Nachfolger des entlassenen Alain Sutter Sportchef des FC St. Gallen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht der 46-Jährige über seine Rückkehr in die Heimat.
Roger Stilz, Sie sind jetzt seit zwei Monaten im Amt. Wie fühlen Sie sich als Sportchef des FC St. Gallen?
Ich fühle mich wohl, sowohl mit der Aufgabe als auch mit der Atmosphäre. Ich kann mich selbst sein. Authentizität ist meines Erachtens wichtig für eine Führungskraft, und der FC St. Gallen gibt mir den Raum und das Vertrauen, dass ich authentisch sein kann.
Es ist ein Vorteil für eine Führungskraft, wenn sie sich die Erfahrungen und Kompetenzen auf breiterer Basis angeeignet hat.
Während Ihrer Trainerausbildung haben Sie mal bei Peter Zeidler in Salzburg hospitiert. Hat Ihnen diese Erfahrung den Einstieg in St. Gallen erleichtert?
Es ist auf jeden Fall kein Nachteil, dass wir uns schon 2015 getroffen haben. Peter und ich lernen uns gerade wieder neu kennen. Wir beide sind seither gewachsen, haben unsere Erfahrungen in unterschiedlichen Kontexten und Positionen gemacht. Aber der Kontakt ist nie abgebrochen. Es ist schön, dass wir uns in St. Gallen wiedersehen und zusammen eine neue Geschichte schreiben können.
Sie haben viele Erfahrungen als Spielertrainer, Co-Trainer, Sportchef und als Leiter einer Nachwuchsabteilung gemacht. Lange in Hamburg, aber auch in Nürnberg, Regensburg und Belgien. Was aus Ihrem Rucksack hilft Ihnen für die Aufgaben in St. Gallen?
Ich glaube, heute ist es wichtiger denn je, dass du Protagonisten hast in der Führungsriege eines Fussballvereins, die nicht zu eindimensional unterwegs sind. Klar brauchen wir Spezialisten, aber ich glaube, es ist ein Vorteil für eine Führungskraft, wenn sie sich die Erfahrungen und Kompetenzen auf breiterer Basis angeeignet hat. Mich hat Eindimensionalität immer gelangweilt, und ich war immer auf der Suche, neue Sachen zu sehen.
Ich lese aktuell kaum Bücher.
Wie 2004, als Sie nach Hamburg aufbrachen, um Germanistik und Geschichte zu studieren und nebenbei Fussball zu spielen. Bleibt als Sportchef überhaupt Zeit, sich der Literatur zu widmen?
Nein, das wäre gelogen. Ich lese aktuell kaum Bücher. Alles hat seine Zeit. Aber ich habe natürlich im vergangenen Jahr dafür Musse gehabt und zum Beispiel alles von Peter Stamm und Robert Seethaler gelesen. So habe ich den Hunger wieder etwas gestillt. Aber jetzt sind andere Themen wichtiger.
Können Sie Ihre Affinität zu Sprache auch sonst nutzen?
Ich bin überzeugt, dass das prägnante Wort wichtig ist und Klarheit schafft. Klarheit für viele Köpfe in einem Verein. Ich glaube, es ist elementar, dass wir uns im Team darüber unterhalten, wie wir über Fussball sprechen. Wie sprechen wir über Spieler? Wie benennen wir unsere Scouting-Kriterien? Was sind bei uns Coaching-Sätze? Wie ist unser Wording?
Dass ich auch noch in meine Heimat zurückkehren darf, war die Kirsche auf der Torte.
Seit Sie da sind, ist beim FCSG auf dem Feld noch nicht alles geglückt. Von sieben Spielen wurden nur zwei gewonnen. Auswärts hatte der Verein schon in der Vorrunde Mühe, nun ging auch die eindrückliche Serie zuhause nach saisonübergreifend elf Siegen zu Ende.
Ich denke nicht in Serien. Mein Denken muss ein anderes sein. Nämlich die Leistung zu beurteilen, wie die Spiele verlaufen, wie die Trainingswoche ist. Das ist mein Job. Er liegt im Übergeordneten.
Fiel es Ihnen eigentlich schwer, nach 20 Jahren im Ausland Ihren Lebensmittelpunkt wieder in die Schweiz zu verlegen?
Nicht wirklich. Dafür waren die Aufgabe, die mir der FC St. Gallen angeboten hat und das Setting einfach viel zu attraktiv. Es ist mir wichtig zu betonen, dass für mich zwei Dinge relevant waren für einen nächsten Job: ein gutes Gefühl mit den Verantwortungsträgern, das Vorfinden eines ähnlichen Wertegerüsts. Und die Möglichkeit, meine Qualitäten einbringen und Strukturen entwickeln zu können. Beide Dinge sind meines Erachtens beim FC St. Gallen vollauf gegeben. Dass ich auch noch in meine Heimat zurückkehren darf, war dann die Kirsche auf der Torte.