Granit Xhaka ist mit 127 Länderspielen Nati-Rekordspieler. Er ist Captain, Regisseur und Sprachrohr der Mannschaft. Xherdan Shaqiri hat 124 Partien für die Schweiz auf dem Buckel. Er ist der Mann für die speziellen Momente, für Spektakel und die wichtigen Spiele.
Und Ricardo Rodriguez? Seit seinem Debüt für die Nati im Herbst 2011 bringt es der 31-Jährige auf 117 Länderspiele. Keiner hat mehr Spiele an Endrunden absolviert als Rodriguez, der es an 6 Welt- und Europameisterschaften auf bislang 23 Spiele bringt (Xhaka und Shaqiri haben 22). Gegen Deutschland und in der K.o.-Runde könnte er in der ewigen Rangliste zunächst zu Heinz Hermann (118) aufschliessen, ihn hinter sich lassen und die alleinige Schweizer Nummer 3 werden.
Trotzdem wird der U17-Weltmeister von 2009 immer ein wenig unterschätzt. Dies mag einerseits an seiner zurückhaltenden Art liegen. Rodriguez zeigt seine Klasse lieber auf dem Platz, als vor dem Mikrofon Auskunft zu geben. Andererseits aber auch an seiner Spielweise. Der Torino-Spieler ist keiner fürs Spektakel. Auch an dieser EURO nicht, wo er in der 3er-Kette den linken Abwehrmann gibt. «Ich versuche einfach, meinen Mitspielern zu helfen. Wenn es jemandem nicht läuft, versuche ich einzuspringen und auch mal Sachen zu machen, die ich nicht so mag.»
31 und noch kein bisschen müde
31 Jahre alt ist Rodriguez mittlerweile, sein eigenes Empfinden entspricht dem jedoch nicht. «Ich fühle mich jung, ich fühle mich gut. Bei Torino habe ich gelernt, dass ich noch härter arbeiten muss und nie den Kopf hängen lassen darf. Auch neben dem Platz schaue ich auf meine Gesundheit. Die Leistungswerte stimmen noch immer.» Er hofft deshalb, dass zu den 6 bisherigen Endrunden weitere dazukommen.
Dafür muss er im Sommer auf Klubebene die Weichen stellen. Sein Vertrag in Italien, wo er auch Captain des Teams war, läuft aus und wird nicht verlängert. Als einziger Nati-Spieler ist er auf dem Markt. «Das ist für den Kopf sicher nicht ganz einfach», gibt er zu. Er versuche das aber beiseitezuschieben und nicht zu stark nachzudenken. Bezüglich neuem Klub müsse es «einfach passen und Sinn machen». Eine Präferenz habe er nicht, er sei offen für alles – auch Stammklub FCZ, für den er bis 2012 auflief, sei in der Diskussion «immer da».
Deutschland vor der Brust, Final im Kopf
Weniger weit in der Zukunft liegt das abschliessende Gruppenspiel gegen Deutschland. Noch ist die Achtelfinal-Quali für die Nati nicht endgültig gesichert, selbst eine Niederlage dürfte aber reichen. Mit einem Sieg würde sich die Nati den Sieg in der Gruppe A noch sichern. «Mir ist es egal, ob wir Erster, Zweiter oder Dritter werden», meint Rodriguez dazu. Wichtig sei einzig, dass man weiterkomme. Im Kopf habe er den Final. «So sollte jeder Spieler denken.»
Ob Rodriguez gegen Deutschland, wo er zwischen Winter 2012 und Sommer 2017 in 184 Spielen für Wolfsburg aufgelaufen war, am Sonntag aber überhaupt zum Einsatz kommen wird, ist noch nicht klar. Das liegt allerdings nicht an Rodriguez selber oder an der Belastungssteuerung, sondern an der gelben Karte, die er sich gegen Schottland eingehandelt hat.
Er ist damit neben Remo Freuler, Silvan Widmer und Vincent Sierro einer von 4 Spielern, denen bei einer erneuten Verwarnung eine Sperre für den wahrscheinlichen Achtelfinal droht. «Schade, ist man schon nach 2 Gelben gesperrt, ich fände es nach 3 besser», meint Rodriguez dazu. Gehe es aber nach ihm, würde er gegen Deutschland nur zu gerne spielen – und en passant Hermanns Marke einstellen.