Josip Ilicic, in seiner Heimat von allen nur liebevoll «Jojo» genannt, freute sich wie ein kleines Kind. Ausgelassen feierte der Slowene mit seinen Teamkollegen den Einzug in den Achtelfinal an der EURO und rutschte nach dem torlosen Remis gegen England wild auf dem Rasen herum.
Wenn es nach Ilicic geht, möchte er im Anschluss an die K.o.-Partie am Montag in Frankfurt gegen die Portugiesen um Superstar Cristiano Ronaldo noch einmal so jubeln – doch eigentlich ist für den 36-Jährigen schon die EM-Teilnahme ein Triumph.
Fast 1000 Tage des Wartens
Der grosse Gänsehautmoment war in der 75. Minute des England-Spiels gekommen. Ilicic wurde eingewechselt und feierte damit sein EM-Debüt. Er half mit, das 0:0 über die Zeit zu bringen – zum ersten Mal in ihrer Geschichte schafften es die Slowenen in die K.o.-Runde.
Doch für Ilicic war der Meilenstein noch wesentlich grösser: Nach 955 Tagen absolvierte der Stürmer, der lange Zeit mit grossen psychischen Problemen zu kämpfen hatte, wieder ein Pflichtspiel für sein Heimatland – es war ein Sieg über sich selbst.
Corona-Pandemie schlägt auf die Psyche
Der Fall ins tiefe Tal der Depression begann vor über vier Jahren. Ilicic war bei Atalanta Bergamo in der italienischen Serie A in der Form seines Lebens, als die Corona-Pandemie sein Leben schlagartig veränderte. Der im bosnischen Prijedor geborene Offensivspieler hatte gerade erst alle vier Tore beim 4:3 im Achtelfinal der Champions League beim FC Valencia erzielt, da wurde er im lombardischen Seuchen-Hotspot aus der Bahn geworfen.
Die Bilder von den ständig abtransportierten Toten setzten Ilicic massiv zu. Im Kampf gegen die Depression wurde Ilicic zur Erholung in die Heimat geschickt. Doch alle Comeback-Versuche scheiterten. 2022 verabschiedete sich Ilicic tränenreich und unter grosser Anteilnahme der Tifosi aus Bergamo.
«Ich wollte das Spielen wieder geniessen»
Nach seinem Abschied aus Italien startete Ilicic einen letzten Fussball-Versuch. In der Heimat schloss er sich seinem Ex-Klub NK Maribor an. «Ich wollte das Spielen wieder geniessen», sagte Ilicic, der beim Meisterschaftszweiten in der abgelaufenen Saison zum Leistungsträger aufstieg. Neun Tore und zwölf Vorlagen standen für den bulligen Angreifer zu Buche: «Ich wollte mir beweisen, dass ich noch immer auf hohem Niveau spielen kann.»
Das erkannte auch Nationaltrainer Matjaz Kek. «Dafür möchte ich mich bedanken. Es bedeutet mir wirklich sehr viel», kommentierte Ilicic seine EM-Nominierung: «Ich hoffe auf das Beste.» Und vielleicht steht Ilicic das Beste am Montag bevor.