Seit N'Golo Kanté wieder im Kreis der französischen Nationalmannschaft ist, reisst der Hype um den Mittelfeldspieler nicht ab. Kanté beeindruckt in Paderborn, wo Frankreich sein EM-Camp bezogen hat, und zuletzt vor allem in Düsseldorf, wo er nach dem 1:0 gegen Österreich als «Man of the Match» geehrt wurde.
Als er nach dem Empfang der kleinen Trophäe am Montagabend in die Kabine kam, wurde er von seinen Mitspielern mit grossem Applaus empfangen. «Es ist verrückt, einfach verrückt», kommentierte Youssouf Fofana die Leistung von Kanté im kurzen Clip des französischen Verbandes.
2018 war Kanté ein entscheidender Bestandteil auf dem Weg zum WM-Titel gewesen. Er wurde innerhalb von einigen Wochen zum Liebling der Fans, weil er ohne Unterbruch lief und kämpfte, immer bescheiden auftrat und für alles ein Lächeln parat hatte. Als die damaligen Weltmeister im September 2018 im Stade de France einzeln geehrt wurden, machte das volle Stadion bei keinem Spieler mehr Lärm als bei Kanté.
Deschamps mit gutem Händchen
Dass der nur 168 Zentimeter grosse Dauerläufer eine Rückkehr auf die grosse Bühne schafft, hatte noch vor wenigen Wochen niemand erwartet. Kein Experte in Frankreich rechnete mit ihm unter den für die EM aufgebotenen Spielern.
Erst einen Tag bevor Nationalcoach Didier Deschamps seine Selektion Mitte Mai bekannt gab, sickerte in Form von Gerüchten die Information durch. In den Kommentaren dazu hielten sich in Frankreich Freude und Skepsis in etwa die Waage.
Ich habe gelernt, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Kanté war monatelang aus dem Blickfeld der französischen Fans geraten, zuerst, weil er beim FC Chelsea oft verletzt war und dann durch seinen Wechsel nach Saudi-Arabien zu Al-Ittihad im letzten Sommer.
Wie der Schweizer Nationalcoach Murat Yakin, der auch aufgrund von Leistungsdaten über die mögliche Selektion vom in den Vereinigten Arabischen Emiraten spielenden Haris Seferovic entschied, sah auch Deschamps genau hin. Er kam zum Schluss, dass Kanté trotz Fussball bei grosser Hitze und kleinerer Intensität weiterhin auf bestem Niveau spielen kann.
Gelungener Neustart
Für Kanté war der Wechsel nach Saudi-Arabien nicht nur lukrativ, sondern auch ein kleiner Befreiungsschlag. Der im Pariser Vorort Suresnes aufgewachsene Spieler hatte nach dem WM-Titel einige Probleme mit zwielichtigen Gestalten aus seiner Vergangenheit und war nach dem Champions-League-Titel mit Chelsea 2021 oft verletzt. Der Neustart in der Wüste bekam ihm gut. Er habe sich weiterentwickelt, erklärte der heute 33-Jährige. «Ich habe gelernt, mehr Verantwortung zu übernehmen.»
Gegen die Niederlande wird Frankreich am Freitagabend in Leipzig erneut auf die «Arbeitsbiene» angewiesen sein. Das Team von Ronald Koeman hat mit dem 2:1 gegen Polen ebenfalls Selbstvertrauen getankt. Mit einer Ausnahme dürfte Koeman die gleiche Startelf nominieren wie beim Auftaktsieg: Leverkusens Jeremie Frimpong wird wohl Xavi Simons ersetzen.