Die beste Offensive gegen die beste Defensive, unbändige Spielfreude gegen simplen Pragmatismus – und zwei Topfavoriten unter sich: Der EM-Halbfinal zwischen Spanien und Frankreich verspricht so einiges, die zwei erfolgreichsten Nationalmannschaften des neuen Jahrtausends kämpfen um den Einzug in den Final.
Dabei geht es am Dienstag längst nicht nur um das Ticket für Berlin, es geht um ein Duell der Gegensätze – und um die Frage, welche Art von Fussball zum grösstmöglichen Erfolg führt.
Nur drei Tore in fünf Spielen
Während die Spanier seit Turnierbeginn mit ihrem attraktiven Offensivfussball begeistern, wirkt das französische Spiel zwar solide, aber uninspiriert. Als würde dieses Starensemble um Kapitän Kylian Mbappé nicht wissen, was es mit seinen aussergewöhnlichen Fähigkeiten eigentlich anstellen soll.
Die Franzosen traten in diesem Turnier offensiv bislang sehr harmlos auf. Mit nur drei Toren in fünf Spielen – einem Elfmetertreffer durch Mbappé und gleich zwei gegnerischen Eigentoren – schafften sie den Vorstoss in den Halbfinal.
Wir haben eine Stabilität, die beispielhaft und in einem Wettbewerb unerlässlich ist.
Didier Deschamps interessieren diese Statistiken herzlich wenig. «Auch wenn wir nicht alles perfekt machen, lassen wir nicht locker», sagte der französische Nationaltrainer nach dem Elfmeterkrimi im Viertelfinal gegen Portugal. Die gewaltige Ladehemmung in der Offensive, die Formkrise von Superstar Mbappé – all das nimmt Deschamps in Kauf. Für seine pragmatische Idee des Fussballs.
«Wir haben eine Stabilität, die beispielhaft und in einem Wettbewerb unerlässlich ist», meinte der 55-Jährige angesichts von nur einem Gegentreffer in fünf Partien: «Wenn man wenige Tore schiesst, ist es besser, keine zu kassieren». Und Deschamps verteidigt sich vor den Medien lachend: «Wenn es euch langweilt, schaut etwas anderes.»
Seit Jahren darf Deschamps aus dem wohl grössten Talentepool des Weltfussballs schöpfen, seit Jahren lässt er mit diesen Ausnahmekönnern minimalistischen Fussball spielen – und seit Jahren hat er damit Erfolg. Bei einem Sieg stünden die Franzosen beim fünften grossen Turnier nacheinander zum vierten Mal im Final.
Spanier wissen um französische Stärken
Den Spaniern ist das harzige Offensivspiel der Franzosen natürlich nicht verborgen geblieben. Im Vorfeld werden aber vielmehr die Stärken von «Les Bleus» hervorgehoben. «Bei dieser Europameisterschaft zeigen sie sich vielleicht etwas defensiver und körperbetonter», sagte Abwehrspieler Nacho der Zeitung Marca und ergänzte: «Aber sie sind eine Mannschaft, die einen in die Knie zwingen kann, die einen für viele Minuten des Spiels in die Enge treiben kann, und genau das wollen wir nicht.»