Nach dem Gewinn einer WM-Medaille werden Sportlerinnen und Sportler in der Regel von Fans aus aller Welt gefeiert. Bei Jakob Ingebrigtsen ist dies heuer ein wenig anders. Der norwegische Überflieger muss nach seiner Silbermedaille über 1500 m in den sozialen Medien Hohn und Spott über sich ergehen lassen.
Ein wenig hat sich dies der Norweger selbst zuzuschreiben. Als er im Vorlauf auf der Schlussrunde locker an seinen Konkurrenten vorbeizog, forderte er das Publikum zu mehr Applaus auf und streckte schon weit vor der Ziellinie den Finger in die Höhe. Die Showeinlage in einem Anflug von Arroganz kam bei den Zuschauenden nicht überall gut an, nun sei er vom «Karma» eingeholt worden.
Als Topfavorit im Final angetreten erlebte Ingebrigtsen ein bitteres Déjà-vu. Der Ausnahmeläufer, mit seinen erst 22 Jahren schon Olympiasieger, Weltmeister, vierfacher Europameister und Europarekordhalter, musste sich schon vor einem Jahr in Eugene mit Silber begnügen. Wie in Budapest stand ihm mit Jake Wightman ein Brite vor der Sonne. Er habe sich «nicht zu 100 Prozent fit gefühlt. Schon nach 500, 600 Metern merkte ich, dass die Beine nicht so waren, wie sie sein sollten», suchte er nach dem Rennen nach Erklärungen.
Jubel mit Papa – oder doch nicht?
Dass mit Narve Gilje Nordas ein Landsmann die Bronzemedaille gewonnen hatte, vermochte seine Enttäuschung nicht mindern – im Gegenteil. Grund dafür ist eine familiäre Posse, die sich bis in den norwegischen Verband zieht. Vater und Trainer Gjert, der nicht nur Jakob, sondern auch seine beiden Brüder Filip und Henrik zu Europameister geformt hat, soll im vergangenen Jahr aus unbekannten Gründen in Ungnade gefallen sein.
Vater Ingebrigtsen suchte einen neuen Schützling und fand diesen in Nordas. Vom norwegischen Verband erhielt er aber keine Akkreditierung, womit ihm auch der Zugang zum Teamhotel, den Trainingsplätzen und damit auch der Kontakt zu seinen Söhnen verwehrt blieb. Nordas verliess kurzerhand die norwegische Unterkunft und bezog sein Quartier bei Ingebrigtsen Senior.
Das Verhältnis zu Jakob sei entsprechend «eisig», liess Nordas nach dem Gewinn der Bronzemedaille in der Mixed Zone verlauten. «Ich bin schon froh, dass er mir überhaupt die Hand gegeben hat.» An Selbstvertrauen mangelt es im Übrigen auch dem 24-Jährigen nicht: «Wenn das Rennen 50 Meter länger gewesen wäre, hätte ich Gold gewonnen.»
«Trostpflaster» im 5000er?
Ingebrigtsen hatte sich in Eugene wenige Tage später mit WM-Gold über 5000 m «getröstet». Will der 22-Jährige dieses Kunststück wiederholen, muss er bereits am Donnerstag wieder liefern. In der Abendsession finden die Vorläufe für den Final am Sonntag statt. Der Titelverteidiger, der in dieser Saison noch keinen einzigen 5000er bestritten hat, wird sich bei einer Finalqualifikation wohl davor hüten, erneut das Publikum anzufeuern.