Es ist der Abend des 16. Juni, im Grossraum Zürich liegen bei milden Temperaturen Gewitter in der Luft. Im Heerenschürli kommt es zum Derby, die Challengers empfangen die Barracudas. Es wäre das Duell der besten Baseball-Teams der Schweiz, gäbe es nicht den alles überstrahlenden Serienmeister Therwil. Und es ist das letzte NLA-Spiel für Wochen, die Challengers bestreiten anschliessend den European Federations Cup in der Slowakei.
«Fremdgehen» ist erlaubt
An jenem Freitagabend jedenfalls sehen die Zuschauer ein Spiel, das nur langsam ins Rollen kommt. Die Challengers gewinnen schliesslich 12:3 – weil sie das 6. Inning 11:0 für sich entscheiden. Die Fans sehen auch zwei junge Schweizer, die das Derby mitprägen: Challengers-Schlagmann Nick Siemers und Fabio Bundi von den Barracudas, gelernter Pitcher. Die für den Laien recht komplizierten Game Scores führt am Ende Siemers an.
12 Tage später kommt es am Mittwochabend im Heerenschürli eine Liga tiefer zur Revanche. Die beiden 19-Jährigen dürfen zwecks Spielpraxis für mehrere Teams antreten. Siemers bestreitet gar Einsätze für den Konkurrenten Bern Cardinals.
Im MLB-Sichtungscamp in London
Das Duo ist erst wenige Tage zuvor aus London zurückgekehrt. Die Zürcher durften sich während einer Woche am MLB European Development Tournament präsentieren. Die 90 grössten Talente des Kontinents wollten bei diesem Einladungsturnier Scouts aus den USA auf sich aufmerksam machen.
Dass Schweizer dabei sind, ist selten, dass gleich zwei ein Aufgebot erhalten, ein Novum. Es soll der erste Schritt zur MLB-Karriere sein. Diesem Traum wird alles untergeordnet. «Was immer es braucht, mache ich dafür», betont Siemers. Er trainiere wöchentlich 3-4 Mal auf dem Feld, gehe fast täglich ins Gym. Auch wenn es ein langer, steiniger Weg ist: «Nach der Saison will ich ein College finden und zwei Jahre später im Draft gezogen werden.»
Der Weg führt übers College
Bei Bundi, der als Nachrücker in London teilnehmen durfte, ist das ähnlich. Sein Bruder Livio hat den Sprung an ein College geschafft, ihm eifert er nach. Mit ihren Auftritten in London sind die beiden Schweizer zufrieden. Diese Einschätzung stützt Roger Savoldelli. Der Coach der U18-Nati und der Barracudas Academy wurde als einer der Trainer im Camp in London nominiert. Er findet: «Sie haben sich sehr gut geschlagen. Sie mussten sich nicht verstecken und waren zurecht dort.»
Dass zwei Schweizer unter den besten 90 Talenten Europas sind, ist die Folge einer gemächlichen, aber stetigen Entwicklung, die auch Savoldelli erkennt: «Die Schweiz hat sich erstmals für eine EM qualifiziert, gehört also zu den Top 16 Europas.» Und doch hinkt die Sportart vielen anderen hierzulande hinterher. Das Problem, so der Coach, ist die Infrastruktur: «Es gibt zur Ausbildung von Talenten kaum andere grosse Felder, wie jenes auf dem Heerenschürli.»
Siemers und Bundi könnten der Baseball-Begeisterung einen Boost verleihen. Einen Schritt weiter ist ihr ehemaliger Mitspieler Dominic Scheffler, der im Januar als erster Schweizer von den Cincinnati Reds gedraftet wurde. Er sei ein Vorbild, dessen Leistungen motivationsstiftend wirkten, geben Siemers und Bundi unisono zu Protokoll.
An jenem Mittwochabend der Revanche behält Bundi übrigens mit der Barracudas Academy gegenüber Siemers und den Challengers II mit 8:2 die Oberhand. Die Partie wird den beiden wohl nicht lange nachhängen. Der Blick ist in die Zukunft gerichtet. Und die soll Tausende Kilometer entfernt vom Heerenschürli stattfinden.