Ein Abzugsschach im 42. Zug bedeutete das Ende: Kurz vor 22 Uhr am 9. November 1985 gab Anatoli Karpow in der 24. Partie des WM-Kampfes in Moskau auf, Garri Kasparow war der neue Weltmeister. Mit 13:11 Punkten gewann der 22-Jährige das inner-sowjetische Duell.
Kasparows Sieg wurde im Westen bejubelt, denn der extrovertierte Jungstar armenisch-jüdischer Herkunft galt – obwohl Mitglied der kommunistischen Partei – als Rebell, der zurückhaltende Karpow dagegen als Repräsentant des «Systems». Aber Kasparow glänzte im Unterschied zum strengen Logiker Karpow auch mit einer spektakulären Spielweise.
Abbruch-Skandal
Garri Kasparow revanchierte sich damit auch für den vielerorts als skandalös empfundenen Abbruch des ersten WM-Kampfes zwischen den beiden 7 Monate zuvor. In 48 Partien über 5 Monate hinweg war keine Entscheidung gefallen, weil Kasparow seinen Gegner durch eine Remis-Strategie (auch körperlich) zermürbte. Der Weltverband FIDE schritt ein, angeblich auf Druck der sowjetischen Regierung.
Kasparow verteidigte seinen WM-Titel noch dreimal gegen Karpow. Die beiden waren nicht nur Rivalen, sondern galten als regelrecht verfeindet. Sie bezichtigten sich gegenseitig der Lüge und vertraten in der Wendezeit der 1990er-Jahre politisch unterschiedliche Ansichten. Karpow soll auch einen Spion in Kasparows Beraterteam eingeschleust haben.
Von Feindschaft zu Respekt
Nachdem sich Kasparow mit der FIDE verkracht hatte, seinen eigenen Verband gründete und deshalb den Titel verlor, waren zeitweise beide gleichzeitig «Weltmeister»: Karpow für die FIDE, Kasparow für seinen neuen Verband.
Im neuen Jahrtausend entspannte sich das Verhältnis. Die beiden bestritten Showmatches, einmal wollte Karpow den weiterhin politisch aktiven und deshalb kurzzeitig inhaftierten Kasparow im Gefängnis besuchen. Dies wurde ihm zwar verweigert, Kasparow wusste die Geste seines ehemaligen Erzrivalen aber zu würdigen.