Mike Tyson ist wütend, er schäumt geradezu. Es läuft die 3. Runde in dem mit Spannung erwarteten Fight, und er findet einfach kein Mittel gegen Evander Holyfield. Der Kontrahent, obwohl mit 34 Jahren noch knapp 4 Jahre älter, ist schneller, er ist beweglicher, setzt ihm ständig zu. Tyson schwitzt, blutet, klammert. Und dann wird es ungeheuerlich an diesem 28. Juni 1997.
«Iron Mike» verliert die Nerven, im Clinch beisst er Holyfield ein 1,5 Zentimeter langes Stück aus dem Ohr – 16'331 Zuschauer im MGM Grand Hotel von Las Vegas sind entsetzt.
Ich war sicher, dass mein Ohr ab ist.
Und Holyfield schreit vor Schmerz, er hüpft durch den Ring und zeigt immer wieder ungläubig auf sein blutendes Ohr. «Er hat das mit voller Absicht getan, ich war sicher, dass mein Ohr ab ist», wird Holyfield später sagen. Ringrichter Mills Lane versucht noch, die Gemüter zu beruhigen, lässt die Runde zu Ende boxen. Dann disqualifiziert er den Ohr-Beisser.
Der Anfang vom Ende
Ohnehin befand sich Tysons Karriere bereits im Sinkflug, nun kommt es knüppeldick für ihn. Der nach eigenen Worten «Baddest Man of the Planet» wird für ein Jahr gesperrt. Und zwei Tage vor seinem 31. Geburtstag steht der nur 1,80 m grosse Schläger am Anfang vom Ende seiner Laufbahn.
In den späten 1980er-Jahren gefürchtet als brutaler Pitbull, fehlt Tyson längst die Schnelligkeit und Schlagstärke von einst. Er wird nie mehr Weltmeister. 2002 bekommt er noch eine letzte WM-Chance, geht gegen Lennox Lewis aber in der achten Runde K.o.
Versöhnung – und Showkampf?
Heute sind die einstigen Erzrivalen Tyson und Holyfield längst versöhnt. Bei einem gemeinsamen Auftritt in der «Oprah Winfrey Show» meinte Tyson einmal über Holyfield: «Ich will der Welt sagen, dass er ein wundervoller Junge ist. Es ist eine Freude, ihn zu kennen.» Und in den vergangenen Wochen befeuerte vor allem Holyfield sogar Spekulationen um einen weiteren Kampf der beiden – in Corona-Zeiten zu wohltätigen Zwecken.