Selbstverständlich geht es nicht nur um den Sport. Wenn Indien auf Pakistan trifft, ist die Sache hochpolitisch. Seit die Kolonie Britisch-Indien 1947 mit einem einfachen Strich auf der Landkarte in zwei Länder geteilt wurde, ist die Region nicht zur Ruhe gekommen. Vier Kriege gab es bereits im Tauziehen um die Region Kaschmir. Einig sind sich Indien und Pakistan nur in einem: Cricket, der Zeitvertreib der Kolonialherren, ist Nationalsport.
Und deshalb fiebern die Menschen mindestens in Indien und Pakistan nun dem «Blockbuster Clash» entgegen. Am Samstagnachmittag kommt es bei der WM im Ein-Tages-Cricket in Indien zum Vorrunden-Duell der Erzrivalen. Schauplatz ist die grösste Sportarena der Welt: Das Narendra Modi Stadium, benannt nach Indiens Ministerpräsident, gelegen in einem Vorort der Millionenstadt Ahmedabad, bietet 132'000 Menschen Platz – und selbstverständlich hätten viel, viel mehr dort hinein gewollt.
7 WM-Duelle – 7 gewinnt Indien
Zehn Nationen nehmen an der WM teil. Jeder spielt einmal gegen jeden, die ersten vier Mannschaften der Tabelle bestreiten dann den Halbfinal. In der bisweilen etwas unverständlichen Welt dieses Sports gibt es mehrere Spielformen, insgesamt standen sich Teams aus Indien und Pakistan bereits 205 Mal gegenüber, Indien gewann 73 Vergleiche, Pakistan 88. Vor allem die «Test Matches» («Länderspiele» über fünf (!) Tage) sind geprägt von der erbitterten Rivalität.
Bei der seit 1975 ausgetragenen WM aber gab es bisher nur sieben Duelle, und Pakistan, Weltmeister 1992, verlor alle. Inzamam-ul-Haq war an vier dieser Spiele beteiligt. Die pakistanische Cricket-Legende vermutet, dass «Indien an den Spieltagen besser mit dem Druck umgehen kann». In das achte Duell geht Pakistan nun mit beeindruckenden Siegen gegen die Niederlande und Sri Lanka, Indien gewann bisher nicht minder überzeugend gegen Rekord-Weltmeister Australien.
Nur in der NBA verdient man mehr
Die Gastgeber, Weltmeister 1983 und 2011, gelten als leicht favorisiert, auch, weil sie mit dem «Pitch» vertraut sind, also die Tücken des Streifens, auf dem der Ball nach dem Wurf des «Bowlers» vor dem «Batsman» aufkommen muss, schon kennen. Zudem sind die indischen Profis abgehärtet durch die Spiele der finanzkräftigen zehn Teams umfassenden Indian Premier League (IPL), in der sich im April und Mai nahezu alle Cricket-Stars aus aller Welt duellieren.
Die IPL ist abseits von Länder-Vergleichen das absolute Nonplusultra im Cricket, die Klubbesitzer zahlten jedem Spieler in diesem Jahr im Schnitt 5,3 Millionen Dollar, nur in der Basketball-Profiliga NBA (10,5 Millionen) ist das Durchschnittsgehalt höher. Pakistanische Profis dürfen an der im Auktionsstil vorgenommenen Verteilung der Spieler aber nicht teilnehmen. Nur zwei Mitglieder des 15-köpfigen WM-Kaders waren überhaupt schon mal in Indien.
Umso grösser war dann angesichts der erbitterten Rivalität die Überraschung der pakistanischen Mannschaft, als sie vor dem WM-Beginn zunächst zu zwei Testspielen im indischen Hyderabad eintraf, zugleich ihr erster Spielort: Sie wurden von den Gastgebern geradezu begeistert empfangen. «Wir haben das nicht erwartet», sagte Mannschaftskapitän Babar Azam, «es ist wie zu Hause». Am Samstag wird sich das wohl vorübergehend ändern.