Als sie zum Interview schritt, hatte sie ihre Zeit noch nicht einmal gesehen. «Es ist wirklich sch***-egal!», lachte Ditaji Kambundji im Interview voller Freude. Die Bernerin hatte gerade sensationell Bronze über 100 m Hürden geholt – ihr erstes Edelmetall bei der Elite. Verständlich, dass da die genauen Sekunden und Hundertstel eine untergeordnete Rolle spielten. Was Kambundji besonders freute: «Meine ganze Familie ist hier und auch so viele Freunde.»
Diese ihr zunächst unbekannte Zeit war jedenfalls eine bemerkenswert gute: 12,74 Sekunden. Schneller war Kambundji nur einmal gewesen – Ende Juli an der WM in Eugene (12,70). Mit Rang 3 komplettierte die 20-Jährige den Medaillensatz im Hause Kambundji. Ihre ältere Schwester Mujinga hatte in München zuvor Gold (200 m) und Silber (100 m) bejubelt.
Die Basis von Kambundjis exzellentem Lauf im Final der Hürdensprinterinnen wurde bereits lange vor dem Startschuss geschaffen, wie sie schildert: «Vom Call Room über das letzte High Five des Trainers dauert es bis zum Start über eine halbe Stunde. Man muss sich schon lange beschäftigen können. Je besser man das kann, umso besser performt man danach.»
Dann kam die Ziellinie und ich habe mich hineingeschossen.
Es sei ihr gut gelungen, ruhig und fokussiert zu bleiben. Ihre eigentliche Stärke – ein schneller Start – habe sie im Gegensatz zum Halbfinal umsetzen können. «Dann habe ich gemerkt, dass ich gut dran bin: ‹Lauf weiter, lauf weiter, lauf weiter!›», analysierte Kambundji im Interview. «Dann kam die Ziellinie und ich habe mich hineingeschossen.»
Ziel von Swiss Athletics übertroffen
Mit der 6. Medaille in Münchner Olympiastadion wurden auch die Zielvorstellungen von Swiss Athletics übertroffen. Wie 2016 in Amsterdam, als man 5 Mal auf dem Podest gestanden war, überflügelten die Leichtathletinnen und -athleten die Vorgabe von 4 Medaillen.
Apropos Amsterdam: Vor 6 Jahren eröffnete eine gewisse Mujinga Kambundji ihr Medaillen-Konto an Grossanlässen mit Bronze über 100 m. Während sie dabei «schon» 24 Jahre alt war, gelang ihrer jüngeren Schwester selbiger Meilenstein nun bereits 20-jährig. Das lässt träumen, dass die kleinste Kambundji dereinst die grösste sein wird ...