Im November litt die Sportschweiz mit dem Rücken von Roger Federer. Zwei Monate später rückt Iouri Podladtchikovs Knöchel in den Fokus. Können Sie unmittelbar vor der WM Entwarnung geben?
Gian Simmen: Die Verletzung (Knöchelbruch Mitte November – die Red.) kam zu einem dummen Zeitpunkt. Doch sie ist sehr gut verheilt. Seit dem 6. Januar ist Iouri zurück im Schnee, in Laax konnte er optimal und auch schmerzfrei trainieren.
Er tritt als Titelverteidiger und Olympiasieger an. Ist die kurze Vorbereitungszeit mit seinen hochtrabenden Ambitionen vereinbar?
Iouri würde den Wettkampf nicht bestreiten, könnte er sich keine Chancen auf den Sieg ausrechnen. Er ist schlau. Und wenn er im Einsatz steht, dann fährt er auch top. Er beherrscht die technischen Tricks, hat sie verinnerlicht. Mental ist er sie tausend, ja abertausend Mal durchgegangen. Was er kurzfristig noch brauchte, waren Kilometer im Schnee. Die hat er sich in den letzten 8 Tagen geholt. Deshalb bin ich überzeugt, dass er eine sehr gute Show zeigen wird.
In Sotschi trug ihm erst der Yolo-Flip Gold ein. Ist dieser Sprung aktuell denkbar?
Er wird kaum auf den Yolo-Flip angewiesen sein, um FIS-Weltmeister zu werden. Ganz generell muss er nicht alle Tricks von Sotschi auspacken.
Weil die Konkurrenz nicht mehr so hochkarätig besetzt ist? So fehlt auch Shaun White, der dafür an den X-Games in Aspen (22. bis 25. Januar) startet.
Diese Terminüberschneidung spielt mit. Denn viele Amerikaner räumen dieser Veranstaltung weiterhin Priorität ein und wollen sich vorher nicht einen Jetlag einfangen. Zudem gönnen sich einige Athleten am Anfang eines neuen Olympiazyklus eine Auszeit. Nichtdestotrotz wird das Niveau bei der WM hochklassig sein, ist sie doch eines von nur wenigen Highlights im diesjährigen Kalender.
In Sotschi setzte auch David Hablützel als Fünfter ein Ausrufezeichen. Ist der erst 18-Jährige zu einem ähnlichen Exploit fähig?
Auch er ist nach einem Kreuzbandriss ein Rückkehrer. Gleichwohl ist er blendend in Form. Wegen seiner Pause ist er nicht ausgebrannt, stattdessen ist er frisch und absolut heiss. Er hat in Sotschi Luft geschnuppert.
Für diese WM haben sich die Boarder und Skifahrer zuammengeschlossen. Ein Szenario, das vor Jahren noch undenkbar war. Was halten Sie von dieser Idee?
Die Szene ist eng zusammmengewachsen, deshalb ist eine «Doppel»-WM sehr zu begrüssen. Im Freestyle und Boardercross oder Skicross wird die gleiche Infrastruktur benötigt. Da macht es absolut Sinn, Synergien zu nutzen und dafür eine Anlage auf höchstem Standard zu errichten.
Gesamthaft werden an der WM 24 Medaillensätze vergeben. Welche Ansprüche darf die Schweiz haben?
Wir sind sehr breit aufgestellt, zählen in vielen Disziplinen zu den Medaillenkandidaten. Im Freestylebereich der Skifahrer und Snowboarder sind 3 bis 4 Podestplätze möglich. Im Alpin-Snowboard rechne ich mit weiteren 1-2 Medaillen.
Gibt es eine Sorgendisziplin?
Im Boardercross besteht Aufholbedarf, wie sich bereits in Sotschi gezeigt hat. Kommt dazu, dass es in dieser Sparte in dieser Saison noch keine Weltcup-Rennen gab und eine Einschätzung darum schwierig ist.
Wie steht es um die Skicrosser? Konnten Sie sich nach der Olympia-Schlappe wieder aufrichten?
Sie müssen die Schmach verdaut haben. Fanny Smith erlebte ich kürzlich top motiviert. Sie hat etwas gutzumachen. Olympia ist für sie komplett abgehakt, und sie brennt auf ein Spitzenresultat.
Snowboard- und Freestyle-WM: Schweizer Aufgebot
Sendebezug: Radio SRF 4, Morgenbulletin, 15.01.15 06:17 Uhr