Letzte Saison hatte Manuel Zehnder in der besten Handball-Liga der Welt noch kaum jemand auf dem Zettel. Doch jetzt ist der 24-Jährige in der deutschen Bundesliga in aller Munde: Der Aargauer glänzt als Topskorer und führt den überraschenden Aufsteiger Eisenach, der etwa schon den Spitzenklub und Cupsieger Rhein-Neckar Löwen schlug, als Denker und Lenker an.
In der Schweiz ist der Rückraum-Mitte-Spieler schon länger ein Begriff und 16-facher Natispieler, aber der Trubel um ihn war noch nie so gross wie jetzt. Als «nächster Andy Schmid» wurde der 1,90-Meter-Mann, der in 12 Partien 91 Treffer erzielte, schon mehrfach betitelt.
Davon darf man sich nicht ablenken lassen.
Mit diesem Vergleich kann Zehnder jedoch nicht viel anfangen. «Ich habe das jetzt schon mehrmals gehört. Aber Andy ist der beste Handballer, den die Schweiz je hatte. Da bin ich noch meilenweit entfernt, ich vergleiche mich nicht», sagt er. Der 24-Jährige bleibt trotz seines Höhenflugs am Boden. «Davon darf man sich nicht ablenken lassen.»
Die Parallelen drängen sich zu einem gewissen Teil aber auf. Schmid und Zehnder teilen sich die Mitte-Position, in der Nati wird der Jungstar schon länger als nächster Spielmacher gehandelt. Der 40-jährige Schmid wird an der EM im Januar ein letztes Mal seine Klasse aufs Feld bringen, im Sommer wechselt er als Nati-Coach an die Seitenlinie.
Zuversichtlich für die EM
«Wenn Andy nicht mehr im Team ist, wird er eine grosse Lücke hinterlassen. Die versuche ich sicher ein Stück weit zu füllen, aber das kann ich nicht alleine», relativiert Zehnder. Zuletzt beim Vierländerturnier ging die Strategie auch mit Schmid als Spieler nicht auf, in Tunesien verlor die Schweiz alle 3 Spiele.
«Von den Resultaten war es definitiv nicht das, was wir erwartet hatten. Die Entschlossenheit und Cleverness haben uns gefehlt», sagt Zehnder. Bis zur EM bleibt nicht mehr viel Zeit, doch der Aargauer ist zuversichtlich: «Es sind Kleinigkeiten. Wenn wir mehr als Team auftreten und kämpfen, haben wir gute Chancen.»
Er nennt Qualitäten, mit denen Eisenach mit seinem Schweizer Regisseur bereits jetzt in der Bundesliga überzeugt. Vor der Saison war der Klub als Absteiger Nummer 1 gehandelt worden, doch die Thüringer überraschten bis jetzt und sammelten mit einem verhältnismässig bescheidenen Kader 7 Punkte in 12 Partien. Der 24-Jährige macht dies primär an Trainer und Landsmann Misha Kaufmann fest: «Er schafft es, aus den Spielern etwas rauszuholen, was sonst niemand könnte.»
Er schafft es, uns Spieler in jedem Training so zu triggern, dass wir gierig sind auf die nächsten zwei Punkte.
Die beiden kennen sich und harmonieren schon lange. Bei Suhr Aarau, wo Zehnders Handball-Karriere als Fünfjähriger begonnen und wo er 2017 in der höchsten Liga debütiert hatte, arbeiteten sie bereits mehrere Jahre erfolgreich zusammen. Kaufmann war auch der Auslöser für die Leihe Zehnders von Erlangen zu Eisenach.
Bei Erlangen hatte er letztes Jahr in seiner 1. Bundesliga-Saison zwar solide Leistungen abgeliefert (48 Tore in 34 Spielen), war beim ambitionierten Klub aber nicht gesetzt. Um Spielpraxis zu sammeln und gleichzeitig wieder mit seinem vertrauten Förderer zusammenarbeiten zu können, erfolgte die Leihe zum Aufsteiger.
In Eisenach wurde er bereits mit hohen Erwartungen empfangen, der Trainer sagte bei der Verpflichtung: «Manuel soll unsere Mannschaft gemeinsam mit Jannis Schneibel führen. Er ist ein junger Mann mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten, sehr kreativ, mit Übersicht, trifft gute Entscheidungen, öffnet Lücken für seine Mitspieler, ist selbst torgefährlich. Wir bekommen mit ihm ein nahezu komplettes Paket.»
Vertrauen als Erfolgsrezept
Diesen Vorschusslorbeeren wurde der Schweizer bis anhin gerecht. «Topskorer zu sein, ist natürlich eine grosse Bestätigung. Aber ich stelle das Team in den Vordergrund», so Zehnder. Er könne so befreit aufspielen, weil er enormes Vertrauen vom Trainer und vom ganzen Klub erhalte.
Auf seinen Coach kommt der Mitte-Spieler immer wieder zu sprechen und nennt ihn als wichtigstes Puzzleteil seines Erfolgsrezepts. «Er hat dieses Mindset, dass man nie zufrieden sein soll und immer mehr wollen soll. Er schafft es, uns Spieler in jedem Training so ‹zverwütsche› oder so zu triggern – wie wir im Team immer sagen –, dass wir gierig sind auf die nächsten zwei Punkte.»
Dieses Mindset scheint der 24-Jährige verinnerlicht zu haben. Aktuell habe er erst etwa 10 Bundesliga-Partien so gespielt, «jetzt gilt es, das über eine ganze Saison oder zwei, drei Saisons konstant zu bestätigen. Erst dann ist man ein gestandener Bundesliga-Spieler.» Mit solchen Zielen werden die Vergleiche zwischen Manuel Zehnder und Andy Schmid nicht weniger werden.