Jahrelang waren Schweizer Handballer in der Bundesliga rar gesät. Mit Ausnahmen: Alen Milosevic oder Andy Schmid, der auf diesen Sommer hin nach 12 Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen in die Heimat zu Kriens-Luzern zurückkehrte. Mittlerweile besitzen neun Schweizer eine Lizenz in der Top-Liga – gleich drei von ihnen bei der HSG Wetzlar.
Lenny Rubin: Vom Newcomer zum Anführer
«Wir haben mit Abstand die jüngste Mannschaft in der Liga», streicht mit Lenny Rubin jener aus dem Schweizer Trio heraus, der bereits am längsten in der mittelhessischen Stadt als Profi-Handballer amtet. Seit vier Jahren spielt der Rückraum-Spieler beim Bundesligisten, wo er sich «sehr wohl fühlt» und sich als Leaderfigur etabliert hat.
Dabei verlief der Beginn für Rubin noch harzig: «Für einen Spieler aus der Schweiz ist es nicht einfach, auf Anhieb in der Bundesliga zu funktionieren», erinnert er sich und streicht den Niveau-Unterschied heraus. Auch andere Umstände bedeuteten für den Thuner 2,05-Meter-Hünen damals Neuland, etwa die mediale Aufmerksamkeit, die vollen Stadien sowie das Dasein als Profisportler.
Für Wetzlar ist die am Donnerstag beginnende Meisterschaft die 25. Saison in der höchsten Liga, für Rubin immerhin bereits die fünfte. Mit seinen 26 Jahren gehört er hier zu den Routiniers und ist sich seinem Standing im Team bewusst: «Ich sehe mich als Vorbild und will Verantwortung übernehmen.» Eine Rolle, die ihm nicht immer behagt. «Wenn es einem selbst nicht läuft, ist es eine Herausforderung, gegenüber der Mannschaft auch einmal Kritik zu äussern», so Rubin.
Eine Saison als Reifeprüfung
Prognosen über das Abschneiden seines Klubs in der neuen Spielzeit will der Schweizer Nationalspieler nicht wagen. «Wir haben acht neue Akteure – nur zwei davon kennen die Liga bereits», unterstreicht Rubin die Philosophie des Ausbildungsklubs. Persönlich sieht er in der bevorstehenden Saison eine Reifeprüfung, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. «Wenn man einmal die Chance hat, zu einem Top-Klub zu wechseln, will man diese auch nutzen.»
An einer anderen Stelle ihrer Karriere stehen mit Jonas Schelker und Leonard Grazioli zwei junge Schweizer, die im Sommer den Wechsel zum Rubin-Klub gewagt haben. Während auf Schelker in seiner Debüt-Saison in Deutschland wohl eine Joker-Rolle wartet, wurde Goalie Grazioli sogleich im Zweitspielrecht zum ebenfalls in Hessen beheimateten TV Hüttenberg ausgeliehen. Beim Zweitligisten soll der 21-Jährige Spielpraxis sammeln.
Für den zwei Jahre älteren Schelker, der nun tagtäglich mit Rubin trainiert, ist sein Landsmann ein Glücksfall: «Er macht den Einstieg definitiv einfacher», bilanziert der Schaffhauser. Bereits im Training seien ihm das höhere Niveau sowie die enorme Intensität aufgefallen. Doch auch wenn ihm Rubin wo immer nötig zur Seite steht, ist es für den Rückraum-Mitte dennoch ein Start ins Unbekannte: «Ich muss mich zuerst auf dem Platz beweisen.»
«Er ist in der gleichen Situation wie ich damals», sagt Rubin über seinen Schützling. Nur die Unterstützung eines anderen Schweizers und etwa damit einhergehende gemeinsame Mittagessen hatte er zu seiner Zeit nicht. Eine schweizerische Wohngemeinschaft kam für Rubin aber dennoch nie in Frage: «Ich brauche einen Rückzugsort, wir sehen uns sonst schon genug oft», meint er lachend.