Kaum jemand ist von der Kraft der olympischen Bewegung so beseelt wie Kirsty Coventry. «Ich kehrte nach Simbabwe zurück, das damals wirklich gespalten war, aber mein Erfolg entfachte vier Tage des Friedens», sagte die frühere Weltklasse-Schwimmerin im Rückblick auf ihre erste olympische Goldmedaille 2004 in Athen und den Empfang in der Heimat.
Derartige Triumphe wurden bald zur Gewohnheit. Vier Jahre später in Peking liess Coventry über ihre Paradestrecke 200 m Rücken einen weiteren Olympiasieg folgen, noch als Aktive arbeitete sie dann auf eine Funktionärslaufbahn hin, die am Donnerstag in Griechenland mit der historischen Wahl zur ersten Präsidentin in der 131-jährigen Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees gipfelte.
Bachs Favoritin
2012 hatte es Coventry in die Athletenkommission geschafft, 2013 wurde sie kurz vor ihrem 30. Geburtstag in das IOC aufgenommen, wo sie schnell und anhaltend die Gunst des Präsidenten Thomas Bach gewann. Vor der Wahl vom Donnerstag auf der Halbinsel Peloponnes machten Gerüchte die Runde, Bach habe versucht, IOC-Mitglieder pro Coventry zu beeinflussen.
Für Bach ist eines aber gewiss noch wichtiger: Das Votum der Mitglieder gleich im ersten Wahlgang für die zweifache Schwimm-Olympiasiegerin aus Simbabwe unterstreicht, wie gross der Einfluss des 71-Jährigen im elitären Zirkel des IOC ist. Denn Coventry – 41 Jahre jung, Mutter, Mitglied in Bachs Exekutive – war eindeutig die Favoritin des Deutschen bei der mit Spannung erwarteten Präsidentschaftswahl.
Zahlreiche Baustellen
Bach, der die Organisation zu einer One-Man-Show machte, hinterlässt nur auf den ersten Blick ein bestelltes Feld. Zwar sind die Spiele bis einschliesslich 2034 vergeben, der wichtigste, weil milliardenschwere TV-Vertrag mit dem US-Sender NBC Universal wurde gar erst in der Vorwoche bis 2036 verlängert – doch die Baustellen sind zahlreich.
Coventry muss sich unter anderem auf mögliche zähe Debatten mit US-Präsident Donald Trump einstellen, dessen Land die nächsten Sommerspiele 2028 in Los Angeles ausrichtet. Auch warten Themen wie eine mögliche Rückkehr von Russland als Nation in den Weltsport, die Klimakrise oder der Umgang mit der Transgender-Frage auf sie.
Coventry kann gewiss auf Bachs Rat zurückgreifen, dem von IOC-Vizepräsidentin Nicole Hoevertsz am Mittwoch eine «visionäre Führung» in Zeiten von Krisen und Pandemie attestiert wurde. Immerhin hatte der gebürtige Würzburger Coventry seit ihrer Aufnahme ins IOC 2013 gefördert und 2021 mit einer individuellen Mitgliedschaft belohnt, die ihr weit über ihre Präsidentschaft hinaus (gemäss IOC-Charta maximal bis 2037) einen Platz im erlesenen Kreis der Mitglieder sichert.