Die französischen Hoffnungen an der 106. Tour de France haben vor dem ersten Ruhetag den nächsten Dämpfer erhalten. Thibaut Pinot verlor im Wind Richtung Albi viel Zeit und fiel vorläufig aus dem Rennen um das Podest. Vier Tage zuvor hatte bereits Romain Bardet in den steilen Rampen zur Planche des belles filles eine böse Niederlage erlitten.
Trotzdem sind die französischen Fans auch nach 10 Etappen im Gelb-Fieber. Und das liegt an Julian Alaphilippe, der am Mittwoch zum 7. Mal im Maillot jaune ins Rennen gehen wird. Der 27-Jährige aus Saint-Amand-Montrond zeigt bisher ein souveränes, offensives Rennen und hat schon zwei Mal das Maillot jaune erobern können.
Ein erfolgreicher Classique-Jäger
Doch ist Alaphilippe der richtige Mann, um Frankreichs Gesamtsieger-Durststrecke von 34 Jahren zu beenden? Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Bernard Hinault und Laurent Fignon, die ihre ersten Tour-Siege als Jungprofis quasi aus dem Nichts herausfuhren, ist Alaphilippe bereits seit Jahren ein arrivierter Rennfahrer.
Der Fahrer mit dem Biker-Bart ist seit Saisonbeginn die Nummer 1 im UCI-Ranking und hat 2019 bereits die Strade Bianche, Mailand-Sanremo und den Flèche Wallonne gewonnen. In Rennen mit einem hügeligen Finale – wie sie immer mehr in Mode kommen – ist Alaphilippe beinahe unschlagbar. Siehe Poggio di Sanremo, siehe Mur de Huy oder siehe die Weinberge kurz vor Epernay.
Er ist aussergewöhnlich, weil er an sich glaubt. Er fährt wie zu meiner Epoche, zweifeln tun die anderen.
Die nächsten «Hügel» an der Tour heissen nun aber Peyresourde, Tourmalet oder Mur de Péguère und stehen in den Pyrenäen. Alaphilippe hat zwar im letzten Jahr das Bergpreistrikot nach Paris gebracht, dies gelang ihm jedoch zumeist durch lange Fluchten weit vor dem noch abwartenden Feld.
Das Team als Handicap?
Nun muss er Seite an Seite mit den Top-Favoriten Geraint Thomas, Egan Bernal oder Nairo Quintana mithalten können, wenn diese ein paar Gänge hochschalten. «Ich bin in der Form meines Lebens. Das ist ein Gefühl, als ob etwas Unnormales passiert. Ich will dieses Maillot jaune so weit tragen, wie es nur geht», sagt Alaphilippe.
Erschwerend für den Franzosen ist allerdings, dass sein Team Deceuninck-Quick Step nicht für den Kampf um die Gesamtwertung gemacht ist. Einzig der Spanier Enric Mas ist ein klassischer «Rundfahrer». Immerhin ist klar, dass das Team vorläufig nicht für Sprinter Elia Viviani fahren muss.
Alaphilippe wird hoffen, dass das Rennen so kontrolliert verläuft wie an der Planche des belles filles und die Tenöre von Ineos und Movistar nicht übermässig in die Offensive gehen. Dann hat er vielleicht die Chance, auch über die Pyrenäen und die Alpen mitrollen zu können.
Und in Paris eine Durststrecke von 34 Jahren zu beenden. «Ich bin kein Träumer. Ich hatte beim Tour-Start keine Ambitionen auf das Gesamtklassement, die sind jetzt auch nicht vom Himmel gefallen», schätzt er seine Chancen ein.
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 15.07.2019, 15:00 Uhr