Flurina Rigling und Weltmeisterschaften – im letzten Jahr war dies eine äusserst erfolgreiche Kombination. An der Bahn-WM in Montigny-le-Bretonneux in Frankreich heimste die Schweizerin insgesamt vier Medaillen ein. Neben Bronze im Sprint und Silber im Scratch und Omnium krönte sich Rigling in der Einzelverfolgung zur Weltmeisterin. Dabei stellte sie über 3000 m zweimal einen Weltrekord auf.
Doch auch auf der Strasse wusste Rigling zu überzeugen und wurde an der WM in Baie-Comeau in Kanada Zweite im Zeitfahren und Dritte im Strassenrennen. In Österreich kamen an der EM eine Goldmedaille auf der Strasse und eine silberne Auszeichnung im Zeitfahren hinzu.
Es sind Erfolge, die Rigling automatisch auch in Schottland in den Kreis der Favoritinnen hieven. Die Para-Athletinnen und -Athleten sind Teil des Mega-Events, der dieses Jahr in einer kombinierten Form stattfindet. Selbstredend hat Rigling sowohl auf der Bahn als auch auf der Strasse Ambitionen.
Nicht nur physisch, sondern auch mental top
«Was mir letztes Jahr gelungen ist, macht mich mega stolz, aber es hilft mir jetzt nicht», sagt Rigling. «Meinen WM-Titel kann mir niemand nehmen, aber wenn ich ihn nicht gewonnen hätte, würde ich in Glasgow nun ebenso am Start stehen.» Es sind Sätze, die zeigen, dass Rigling nicht nur auf dem Velo oder im Kraftraum trainiert, sondern auch in den mentalen Bereich investiert.
Sie tauscht sich regelmässig mit einer Sportpsychologin aus, die ihr hilft, Erlebtes einzuordnen oder sich optimal auf einen Wettkampf vorzubereiten. «Es ist schon sehr viel passiert», sagt Rigling. «Ich versuche, alles aufzusaugen, weil es überhaupt nicht selbstverständlich ist.»
Rad als perfektes Sportgerät
Rigling bewegt sich erst seit 2019 als Spitzensportlerin im Rad-Zirkus. Etwa 20 Stunden pro Woche trainiert sie im Durchschnitt. Zuvor war Rigling, die eigentlich aus einer Ruder-Familie stammt, länger auf der Suche nach der für sie idealen Sportart. Da ihr an Händen und Füssen je vier Finger und Zehen fehlen und sie ihre Wadenmuskulatur nicht einsetzen kann, sind nicht alle Sportarten gleich gut geeignet für ihre Voraussetzungen.
«Im Radsport kann ich meine Stärken ausspielen und muss nicht immer versuchen, meine Schwächen zu kompensieren», sagt sie, die mit ihrem Touren-Velo schon durch die ganze Schweiz gefahren ist und zahlreiche Pässe bezwungen hat.
Erste Medaillenchance am Freitag
Die Erfolge der Vergangenheit nehmen Rigling den grössten Druck von den Schultern. Entsprechend locker geht sie die anstehende WM an. «Ich will einfach meine Leistung abrufen. Alles andere liegt eh nicht in meiner Hand.»
In der Qualifikation zur Einzelverfolgung machte die Schottin Daphne Schrager schon einmal eine Kampfansage. Sie schlug Titelverteidigerin Rigling um eine Sekunde und senkte dabei den Weltrekord auf 3:51,721 Minuten. Allerdings hat die Zürcherin ihre Karten noch nicht aufgedeckt, wie sie sagt: «Da ich als letzte starten konnte, musste ich nicht alles geben. Es wird sicher ein packender Final.» Dieser geht am Freitagabend über die Bühne.