Zweimal war Marlen Reusser schon Vize-Weltmeisterin im Zeitfahren, einmal wurde sie Dritte. Hinzu kommt die Silbermedaille an den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. Die Goldmedaille an einem Grossanlass fehlt noch im Palmarès der 31-jährigen Bernerin. Dies will sie am Donnerstag an der WM in Glasgow ändern. Dann steht in Stirling das Einzelzeitfahren über 36,2 km auf dem Programm.
Die Voraussetzungen bei Reusser sind optimal, sie präsentierte sich zuletzt mit dem Sieg im Zeitfahren an der Tour de France in blendender Verfassung. «Ich hatte die allerbeste Vorbereitung, war schon lange nicht mehr krank oder verletzt. Ich habe eine grandiose Form, super Material. Es steht alles auf Grün», blickt sie optimistisch voraus. Als klare Favoritin sieht sich Reusser trotzdem nicht.
Sie ist eine Kombination aus einem Terminator und einem Alien. Mal schauen, wie gut ich im Vergleich bin.
Die Schweizerin benennt Chloe Dygert als eine der härtesten Konkurrentinnen um den Sieg. Die US-Amerikanerin schaffte nach einem schweren Sturz im Jahr 2020 ein erfolgreiches Comeback. «Seit einiger Zeit fährt sie schon wieder sehr stark. Hier in Glasgow wurde sie Weltmeisterin in der Einzelverfolgung auf der Bahn. Sie ist auch sehr stark in den Strassenrennen.» Am Donnerstag treffen die beiden erstmals in einem Zeitfahren aufeinander.
Reusser spricht mit viel Respekt von Dygert, hofft in Stirling auf ein Duell auf Augenhöhe. «Sie ist eine Kombination aus einem Terminator und einem Alien. Mal schauen, wie gut ich im Vergleich bin.»
Wie gross ist die Bereitschaft zu leiden?
Eine weitere Herausforderung wird für Reusser im mentalen Bereich liegen. Ein derart langes Zeitfahren sei sie schon lange nicht mehr gefahren, insbesondere nicht in der aktuellen Form. «Es ist die Frage, wie gut ich im Masochismus inzwischen geworden bin. Wie gut werde ich mich selbst an meine Grenzen bringen? Wie gut werde ich es einteilen?»
Obwohl die Sehnsucht nach der Goldmedaille gross und die Voraussetzungen ideal sind, nennt Reusser für das Rennen ein anderes Ziel: «Ich hoffe, ich fahre mein allerbestes Zeitfahren. Sonst bin ich enttäuscht von mir selbst. Mehr kann ich nicht machen. Ob ich dann gewinne oder nicht, liegt auch an den anderen.»
Neben Reusser wird für die Schweiz auch Elena Hartmann am Start sein. Die 32-Jährige bestreitet ihr zweites WM-Zeitfahren. Im Vorjahr im australischen Wollongong fuhr die Bündnerin auf den 26. Platz.