16,5 Millionen Franzosen litten, zitterten und am Ende verzweifelten sie vor den Bildschirmen. 80'000 Fans hatten das Nationalstadion im Norden von Paris beben lassen und immer wieder spontan die «Marseillaise» intoniert. Es nützte alles nichts. Es lief der letzte Angriff in der Nachspielzeit, als der Ball verloren ging und die 28:29-Niederlage gegen Südafrika im WM-Viertelfinal besiegelt war.
Von einem «brutalen Match» sprach danach sogar Südafrikas Matchwinner Eben Etzebeth, der in der 67. Minute den letztlich entscheidenden Try mit roher Gewalt über die Linie gedrückt hatte. Brutal, aber erfolgreich für die einen, für die Franzosen war es einfach nur «herzzerreissend» (Charlos Ollivon) oder «grausam» (François Cros). Sogar Staatspräsident Emmanuel Macron spendete nach der Partie in der Garderobe Trost.
Scheitern hat Tradition
So viel hatte man sich bei der «Grande Nation» von dieser Heim-WM erhofft, so überzeugend war die «XV de France» in den letzten zwei Jahren aufgetreten. Während aber Südafrika in der Vorrunde gegen Irland verloren und Frankreich gegen Neuseeland gewonnen hat, waren es in den Viertelfinals die beiden Co-Rekordweltmeister, die im entscheidenden Moment die Nase vorne hatten.
Für die «Bleus» hat das Scheitern auf herzzerreissende Art Tradition. Die Weltspitze im Rugby ist enorm klein, bei bisher neun Weltmeisterschaften haben lediglich fünf verschiedene Nationen (Neuseeland, Südafrika, Australien, England und Frankreich) einen Final erreicht – und alle ausser den Franzosen wurden auch schon mindestens einmal Weltmeister. Dreimal (1987, 1999, 2011) erreichten die Franzosen das Endspiel, vor zwölf Jahren ging es in Auckland gegen den Gastgeber 7:8 verloren.
Vielversprechende Zukunft
Trost und Aufmunterung gab es am Sonntagabend sogar vom Gegner. «Ganz ehrlich, das ist ganz bestimmt eine der besten französischen Equipen aller Zeiten», schwärmte Südafrikas Captain Siya Kolisi. «Ihr Herz, ihr Mut, die fantastische Unterstützung der Fans, das war heute etwas ganz Spezielles. Sie können stolz sein, und sie werden wieder aufstehen.»
Tatsächlich sieht die Zukunft der Franzosen nicht allzu düster aus. Die Mannschaft ist noch relativ jung, und die U20 wurde in diesem Sommer Weltmeister. Der Nachwuchs weiss also, wie man Titel gewinnt. Eines ist aber auch sicher: Diese nächste Generation wird nicht mehr die Chance haben, zuhause zu triumphieren.