Emotional, kontrovers und leidenschaftlich wird in den letzten Wochen diskutiert, was vorläufig als Idee vom IOC kommuniziert wird, aber schnell konkrete Formen annehmen könnte: die Rückkehr von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten in den internationalen Sport, deren Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine war Auslöser für Sanktionen und Sperren. Sie verbieten den Nationen, internationale Wettkämpfe auszutragen und einen Start der Athleten unter nationalen Symbolen wie Flagge und Hymne.
Knapp 1 Jahr nach Kriegsbeginn hat sich an den Ursachen für diese Massnahmen nichts geändert. Es ist weiterhin Krieg.
Das IOC tanzt auf der Rasierklinge
Doch: Das IOC handelt gegen die eigene Charta, die die Gleichheit und verbindende Komponente des Sportes beschwört und zudem jede Diskriminierung verbietet.
Auch im Zuge der Intervention von UN-Sonderbeauftragten hat das IOC deshalb im Dezember und Januar Ideen für ein Rückkehr der bestraften Nationen und Athleten präsentiert.
Die möglichen Bedingungen:
- Weiterhin Verbot aller nationalen Erkennungszeichen wie Flagge, Hymne, Nationenname – ein neutrales Team also.
- Das Respektieren der Olympischen Charta – nur wer als Athlet den Krieg nicht aktiv unterstützt und sich dem Anti-Doping-Code unterwirft, kann teilnehmen.
Was haben Russland und Putin möglicherweise in der Hand?
Kritiker vermuten auch andere Gründe für den Sinneswandel. Russland, schon im Zusammenhang mit den Dopingskandalen eher wohlwollend behandelt vom IOC, soll wieder ein Weg zur Teilnahme geebnet werden.
«Nach all diesen merkwürdigen katastrophalen Entscheidungen und Entwicklungen kann man eigentlich nur die Frage stellen: Was haben Russland und Putin möglicherweise in der Hand?», sagt der deutsche Sportjournalist und IOC-Experte Jens Weinreich.
Finanzielle Interessen, Geschäfte oder Zahlungen, die wegfallen würden, bis zu Druckmittel der russischen Politik – Weinreich schliesst kaum etwas aus.
Keine Zustimmung bei Swiss Olympic
Swiss Olympic stellt sich weiter gegen die Rückkehr der Athleten aus den kriegführenden Nationen. «Der Exekutivrat hat beschlossen, dass wir an unserer Position festhalten, solange das IOC keine klare Entscheidung fällt», so Direktor Roger Schnegg.
Leidtragende der aktuellen Situation seien die Athletinnen und Athleten, die den Krieg ablehnten und sich einfach auf ihren Sport konzentrieren wollten, findet dagegen Petra Klingler, Mitglied der Athletenkommission von Swiss Olympic. «Ich hoffe schwer, dass wir uns hier an der Nase nehmen und wirklich den Sport und die Leistungen in den Vordergrund stellen können», sagt die Olympionikin im Sportklettern.
In der Athletenkommission werde man das Thema erst noch besprechen, so Klingler weiter.
IOC lässt sich Zeit
Wann eine Entscheidung fällt, ist ungewiss. Das IOC verzichtet in dieser Frage aktuell auf eine Stellungnahme. Klar ist: Die Zeit drängt. Die Qualifikation für die Spiele 2024 in Paris läuft.