Vor einigen Monaten waren die Gedankenspiele erstmals durchgesickert, am Sonntag machte Swiss Olympic Nägel mit Köpfen: «Vision Olympia: Austragungsland statt Austragungsort – Weltmeisterschaften legen die Basis» war das Communiqué übertitelt, in dem der Schweizer Dachverband über eine bereits im April gestartete Machbarkeitsstudie informierte.
Konkret soll bis Herbst aufgezeigt werden, ob die Schweiz im Jahr 2030, allenfalls auch 2034 oder 2038, Olympische Winterspiele durchführen kann – und will.
Bestehende Infrastruktur nutzen
Der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein, finden Exponentinnen und Exponenten der Sport-Politik:
- Denis Oswald , Schweizer Mitglied des IOC-Exekutivkomitees, verweist auf die «Agenda 2020» des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), in dem Kostensenkung und Nachhaltigkeit durch Nutzung bestehender Infrastruktur stärker betont werden. «Die Spiele passen sich dem Gastgeberland an, nicht das Land den Spielen», so der Neuenburger.
- «Wenn man noch einmal kandidieren will, ist die einzig richtige Möglichkeit, dass man bereits bestehende Stätten einbezieht», sagt auch Jörg Schild , ehemaliger Präsident von Swiss Olympic. Die immensen Kosten früherer Spiele, aber auch die Vergabepraxis, Menschenrechtsverletzungen in den Austragungsländern und Dopingskandale hätten dazu geführt, dass «der gute Ruf des Sports arg gelitten hat».
- Eine «Abkehr vom Gigantismus» ortet Ruth Wipfli Steinegger . Die Swiss-Olympic-Vizepräsidentin betont, dass die vorgesehenen Stätten bereits existieren, allerdings über die ganze Schweiz verteilt sind. Das Projekt solle kostengünstig und möglichst privat finanziert sein.
Keine «Weissen Elefanten»
Zwar trifft Oswalds kategorische Aussage «es wird nichts neu gebaut» nicht zu 100 Prozent zu – sowohl fürs Eisschnelllaufen wie fürs Skispringen müsste die Schweiz wohl nachbessern. Zudem ist die Frage offen, ob es dann nicht doch ein Olympisches Dorf geben soll. Dennoch ist man sich einig: So genannte «Weisse Elefanten» – teuer erstellte Infrastruktur, die nach den Spielen leer steht – soll es nicht geben.
Neu wäre die Dezentralität, die sich mit dem Schweizer Projekt ergäbe, nicht. «Bei den Winterspielen 2026 in Mailand/Cortina liegen 4 bis 5 Autostunden zwischen den Austragungsorten Mailand und Livigno», sagt Oswald. Und bei den Sommerspielen 2024 in Paris finden die Surf-Wettbewerbe sogar auf Tahiti am anderen Ende der Welt statt.
Weltmeisterschaften als Testlauf
Der zweite Argumentationsstrang der Befürworterinnen ist die derzeitige Häufung von Wintersport-Weltmeisterschaften in der Schweiz:
- 2023: Bob- und Skeleton-WM in St. Moritz
- 2024: Curling-WM in Schaffhausen
- 2025: Biathlon-WM in Lenzerheide, Freestyle- und Snowboard-WM im Engadin
- 2026: Eishockey-WM in Zürich und Freiburg
- 2027: Ski-WM in Crans-Montana
«Damit werden die Installationen in Top-Qualität zur Verfügung stehen», sagt Oswald. Zusätzlich könnten die WM-Organisatoren Erfahrungen zur Verfügung stellen und sogar selber bei den Olympischen Spielen mitarbeiten.
Knackpunkt Volksabstimmung
Die letzten Schweizer Olympia-Bemühungen waren frühzeitig am «Nein» skeptischer Stimmbevölkerungen gescheitert. Dem hoffen die Promotoren vorzubeugen. Gegen die Austragung der einzelnen Weltmeisterschaften habe es keine Referenden gegeben, sagt Oswald. Warum solle also opponiert werden, wenn man einfach alles für Olympia zusammensetze, fragt der langjährige Sportfunktionär.