Anfang Woche sagte Pirmin Reichmuth, es sei ihm ziemlich egal, gegen wen er am Brünigschwinget in den Wettkampf steigen würde. Er habe sowieso gegen die meisten potentiellen Kandidaten noch kaum je geschwungen. Der Mann strotzt vor Lust auf einen richtig grossen Belastungstest. Und er fasst mit seinen Worten ungewollt die eigene Karriere treffend zusammen.
Reichmuth ist so stark, dass er sich tatsächlich vor keinem Konkurrenten fürchten muss. Er braucht deshalb nicht das Glück der günstigen Einteilung, was ihn der Bekanntgabe der Spitzenpaarungen für den kommenden Sonntag entspannt entgegenblicken liess. Gleichzeitig gibt es da diese Spitalakte. Seit Reichmuth 2013 seinen ersten Kranz gewann, war er so oft verletzt, dass er viele Gegner gar nicht kennen kann, weil er kaum Schwingfeste bestritt.
Zuschauen, während andere Kränze horten
Der mittlerweile 26-jährige Reichmuth kommt auf eine Karrierebilanz, die sonst talentierte 20-Jährige vorweisen können. 18 Kränze hat er bisher gewonnen. Im Vergleich dazu: Samuel Giger ist zweieinhalb Jahre jünger und hat bereits 51 Kränze daheim.
A propos Giger: Mit ihm als Gegner rechnete Pirmin Reichmuth eigentlich im ersten Gang des Brünigschwinget vom Sonntag. Die beiden haben noch nie an einem Kranzfest gegeneinander gekämpft, aber immerhin an regionalen Schwingfesten 2019. In einem Jahr, in dem Reichmuth und Giger so stark waren, dass sie als grosse Königsfavoriten ans Eidgenössische nach Zug reisten. Und dann beide schon früh aus dem Kampf um die Krone geworfen wurden.
Seither hat Giger vier grosse Kranzfeste gewonnen, war einer der drei Sieger des Kilchberger Schwinget vor einem Jahr, und er hat in der aktuellen Saison so viele Siege errungen wie sonst keiner. In der gleichen Zeit hat Reichmuth mehrheitlich zugeschaut.
Als sich Pirmin Reichmuth früh im Jahr 2021 zum vierten Mal in seiner Karriere einen Kreuzbandriss zuzog, war der Gedanke ans Aufhören nah. Verständlicherweise. Wenn man in einer noch jungen Karriere fast so viel Zeit in der medizinischen Rehabilitation verbringt wie im Schwingkeller, dann ist irgendwann genug. Aber letztlich siegte die Lust am Sport. Bestimmt auch das Wissen um das, was theoretisch möglich ist.
Die letzte Rückkehr
Entscheidend war zudem, dass zum ersten Mal das linke Knie betroffen war, denn das rechte hätte vermutlich gar nicht mehr geflickt werden können. Und wer weiss, vielleicht war auch der Gedanke an seinen grössten Sieg ein Faktor, der Pirmin Reichmuth dazu bewog, nicht aufzugeben. Der Gedanke an den Brünigsieg 2019.
Seither hat Reichmuth zwei Kranzfeste bestritten. Das Eidgenössische in Zug und fast drei Jahre danach das Aargauer Kantonale vor drei Wochen. Dazwischen war das Coronajahr 2020 und die lange, sehr lange Pause nach der neuerlichen Knieverletzung. Reichmuth liess sich bewusst viel Zeit mit der Rückkehr. Im Wissen darum, dass es eine weitere solche Rückkehr nicht mehr geben wird, sollte er noch einmal eine gravierende Verletzung erleiden.
Das sagt einerseits der Sportler in ihm, der schon so oft zurückgekommen ist und der weiss, wie hart dieser Weg ist. Und das sagt in ihm der ausgebildete Physiotherapeut, der er mittlerweile ist, und dem aufgrund seines Berufes klar ist, dass es medizinisch irgendwann nicht mehr geht.
Kommt es zum Duell mit Giger?
Der letzte Teil in Pirmin Reichmuths Karriere hat also begonnen. Ein hoffentlich sehr langer letzter Teil. Und er führt ihn im ersten Gang des Brünigschwinget nicht zum Kampf gegen Giger. Der Präsident des Einteilungsgerichts hatte andere Pläne, Reichmuth beginnt gegen Adrian Walther, den grossen Aufsteiger im Team der Berner. Auch das ist ein Kampf aus der Kategorie der ultimativen Belastungstests.
Und dann kommt es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Verlauf des Wettkampfes schon noch zum Duell gegen Giger. So oder so wird es ein knallharter Wettkampf. Genau darauf hat Pirmin Reichmuth viel zu lange warten müssen.