Ich kenne keinen anderen Sport, dessen Wettkampfverlauf permanent von einem menschlichen Gremium gesteuert wird. Die Einteilung ist eine der Besonderheiten des Schwingsports. Es liegt auf der Hand, dass die Männer in der Einteilung eine nicht nur sehr schwierige, sondern auch äusserst verantwortungsvolle Aufgabe haben. Denn wenn im Verlauf eines Schwingfestes die falschen Prioritäten im Zusammensetzen der Paarungen überhandnehmen, dann wackelt die Glaubwürdigkeit des Wettkampfes.
In der Einteilung wird demokratisch vorgegangen. Die Mehrheit bestimmt. Auf dem Stoos waren Schwinger aus 3 Teilverbänden anwesend, und diese Teilverbände waren – so ist es üblich – auch in der Einteilung vertreten. Allerdings mit einer Mehrheit des gastgebenden Verbandes. Konkret bildeten 3 Innerschweizer, ein Nordwestschweizer und ein Berner das Einteilungsgericht. Die 3 Innerschweizer trugen also die grösste Verantwortung für den Wettkampfverlauf, denn sie waren bei jedem potenziell strittigen Entscheid in der Mehrheit.
Einteilung muss viele Kriterien erfüllen
Auf dem Stoos kam hinzu, dass der Vertreter der Nordwestschweiz das gleiche Interesse hatte, wie seine Innerschweizer Kollegen. Nämlich gegen die starken Berner möglichst viele Kränze zu gewinnen. Niemand ausser den 5 Einteilern war bei deren Arbeit dabei, aber es ist wahrscheinlich, dass der Vertreter der Berner alleine dastand. Anders lassen sich ein paar Entscheidungen der Einteilung in der letzten Phase des Wettkampfes nicht interpretieren. Zuvor hatte das steuernde Gremium schon 200 Einteilungen vorgenommen, die einen faszinierenden und fairen Wettkampf ergeben hatten. Erst im finalen Kampf um die Kränze erhielten die Einzelinteressen wohl ein zu grosses Gewicht.
Eine gute Einteilung muss viele Kriterien erfüllen. Sie muss einen verdienten Sieger hervorbringen, muss den Stärksten im Wettkampf die Chance auf den Kranzgewinn geben, muss den weniger Guten ihre Limiten aufzeigen, und wenn möglich sollten auch noch attraktive Paarungen zusammengestellt werden. Daneben hat jeder Vertreter in der Einteilung das persönliche Ziel, mit Schlitzohrigkeit und taktischem Geschick für seine Athleten zu arbeiten. Das ist legitim, solange es nicht einen gewissen Rahmen sprengt. Dieser Rahmen wiederum wird vom Verlauf des Wettkampfes mitbestimmt.
Zwei Berner Duelle auf Kosten der Glaubwürdigkeit
Auf dem Stoos waren nach 5 Gängen 22 Athleten auf den ersten 7 Rängen klassiert. Davon 9 Berner, die regelmässig über diese 7 Ränge verteilt waren. Das schloss eigentlich das Bilden von Berner Paarungen für den 6. Gang aus, weil es genügend Alternativen zu dieser harten Massnahme gab, die den stärksten anwesenden Teilverband für seine Stärke bestraft. Stattdessen wurden sogar 2 Berner Paarungen gebildet, also 4 Verbandskollegen dazu verdonnert, sich gegenseitig den Festsieg oder den Kranzgewinn streitig zu machen.
Die Motivation der betroffenen Berner Schwinger hielt sich in Grenzen. Während die Chancen der anderen beiden Teilverbände stiegen, was wiederum den Partikularinteresse ihrer Vertreter in der Einteilung entsprach. Auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Denn dass die Kritiker recht erhalten, die von Mischeln und Mauscheln sprechen, das sollte nicht passieren.