Neulich begegnete ich im Vorbeigehen einem Pessimisten. Einem Anhänger von Samuel Giger, der befürchtet, dass bei seinem Idol der Druck zu gross sein werde, wenn es Ende August um den Königstitel gehen wird. Der Mann kann eigentlich nur einen Grund gehabt haben, um am grösstmöglichen Triumph von Giger zu zweifeln: Vorsichtshalber die eigenen Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Denn eigentlich sind da sonst nur Indizien, die anderes besagen. Indizien wie die beeindruckende Ruhe, mit der Samuel Giger sich durch diese Saison kämpft.
Giger ist erst 24-jährig, aber weil er als Teenager schon gegen die Stärksten des Landes kämpfte, bringt er in harten Duellen Routine und Abgeklärtheit mit, wie andere mit 30.
Stark war Giger schon immer. So stark, dass er bereits als 16-Jähriger erstmals für den Kilchberger Schwinget aufgeboten wurde, wo nur die Besten der Besten teilnehmen können. Giger hat körperlich die idealen Voraussetzungen für den Schwingsport und er wusste schon immer, wie er diese Voraussetzungen gewinnbringend einsetzen kann.
So war er bereits als junger Athlet kraftstrotzend und beinahe unschlagbar. In eklatantem Kontrast dazu wirkte er als Mensch oft ein wenig eingeschüchtert, dieser so grosse und starke Kerl. Doch das ist längst vorbei. Mittlerweile tut Giger ganz selbstverständlich Dinge, die ihm vor ein paar Jahren noch unangenehm gewesen wären.
Mit Ruhe und ausserordentlichen Qualitäten zum Sieg in Basel
Am Baselstädtischen Schwingertag waren sehr viele Menschen auf einem räumlich eng begrenzten Sportplatz beieinander. Dass da so viel Publikum war, hing nicht zuletzt mit Giger zusammen, der sich für diesen Wettkampf angemeldet hatte. Die Leute kamen auch, um ihn zu sehen. Und er nimmt das mittlerweile sehr gelassen. In der Mittagspause zog sich der unübersehbare Hüne nicht irgendwohin zurück, wo er seine Ruhe gehabt hätte. Er blieb mit seiner Freundin mitten im Getümmel und wirkte zutiefst entspannt. Ruhte in sich selbst, wirkte zufrieden, bescheiden und doch selbstbewusst. Und genau so tritt er auch im Wettkampf auf.
Giger gewann in Basel alle seine Kämpfe. Selbst gegen die stärksten Gegner agierte er geduldig und verlor auch unter grösster Anspannung die Übersicht nicht. Im Schlussgang überstand er ausserdem einen brenzligen Moment dank seiner ausserordentlichen Qualitäten in der Verteidigung. Die braucht er nur selten, aber wenn, dann kann er auf sie zählen. Giger ist erst 24-jährig, aber weil er als Teenager schon gegen die Stärksten des Landes kämpfte, bringt er in harten Duellen Routine und Abgeklärtheit mit, wie andere mit 30. Stark war er immer schon, mittlerweile wirkt er gestählt.
Diese Ruhe, mit der sich Giger durch den Schwingsommer kämpft, hängt auch mit dem Sieg beim Kilchberger Schwinget letztes Jahr zusammen, anlässlich seiner zweiten Teilnahme an diesem exklusivsten aller Schwingfeste. Er weiss schon lange, dass er Grosses erreichen kann, und damit auch erreichen muss, um irgendwann zufrieden auf seine Karriere zurückblicken zu können.
Topfavorit auch am Heimfest im Thurgau
Das hat er geschafft. Das nimmt Druck. Und es ist ein weiteres Indiz. Wer letztlich König wird, weiss niemand. Aber jedes grosse Fest liefert weitere Hinweise, die zum Interpretieren einladen. Zum Beispiel am Sonntag das Nordostschweizer Teilverbandsfest im Thurgau. Bei Giger daheim. Bei dem Mann also, der aktuell so viele königliche Indizien liefert. Überflüssig zu erwähnen, dass dieselben Indizien ihn am Sonntag zum grossen Favoriten machen.