Am vergangenen Wochenende verschickte Alinghi Red Bull Racing ein Statement, in welchem das Segel-Syndikat seinen Ausstieg aus dem America's Cup kommunizierte. Der Herausforderer aus Genf habe keine Einigung mit dem Titelverteidiger Team New Zealand gefunden. Dieser setzt traditionell die wichtigsten Regeln und den Austragungsort fest.
Daher wird Alinghi, der Gewinner des America's Cup in den Jahren 2003 und 2007, bei der nächsten Austragung im Jahr 2027 nicht zu den Herausforderern von Titelverteidiger Neuseeland gehören. Wir haben bei SRF-Segel-Experte Christian Scherrer nachgefragt, was dies für den Segel-Sport in der Schweiz bedeutet.
SRF Sport: Alinghi nimmt nicht am America’s Cup 2027 teil. Was ist passiert?
Christian Scherrer: Es gab in den letzten Wochen und Monaten bereits Gerüchte, dass eine weitere Teilnahme fraglich sei. Dies wurde nun in den letzten Tagen bestätigt. Scheinbar besteht von Seiten Alinghis und Red Bulls kein Interesse mehr für eine weitere Kampagne.
Was genau wollte Alinghi?
Offiziell wird das fehlende Mitspracherecht punkto Gestaltung des Events und punkto Teilnahme an kommerziellen Lösungen genannt. Die Nationalitäten-Regelung bei der Crew (man darf nur Segler aus der eigenen Nation an Bord haben; die Red.) hat wohl auch mitgespielt. Dass Alinghi nicht mehr dabei ist, ist für den Segel-Sport in der Schweiz sicher eine Enttäuschung.
Kann ein Grund für den Rückzug auch die Vermutung des Teams New Zealand sein, dass Alinghi 2024 nicht konkurrenzfähig genug gewesen sei, dies aber nicht zugeben möchte?
Es war natürlich eine schwierige Aufgabe für Alinghi bei der 1. Teilnahme seit vielen Jahren und mit ausschliesslich Schweizer Seglern, welche über keine America's-Cup-Erfahrung verfügten. Der Ansatz, eine Schweizer Equipe zu stellen und über 2 Kampagnen zu planen, hat mir sehr gefallen. Der Anspruch, den Cup 2027 gewinnen zu wollen, war dann aber wohl etwas zu hoch gegriffen. Dass Team New Zealand die fehlende Konkurrenzfähigkeit ins Feld führt, ist ebenso verständlich, wie die Forderung von Alinghi nach mehr Mitspracherecht. Diese Positionen sind sehr gut nachvollziehbar.
Bedeutet das, dass das Tischtuch zerschnitten ist? Sprich, dass es Alinghi am America's Cup nicht mehr geben wird?
Ich befürchte es, ja. Man hat sich schliesslich viel Zeit gelassen mit einer Entscheidung. Deshalb gehe ich davon aus, dass dies ein definitiver Ausstieg ist.
Was bedeutet das für Alinghi als Ganzes und für die Crewmitglieder?
Es wurden in den letzten paar Monaten bereits gewisse Verträge aufgelöst. Ich gehe davon aus, dass die restlichen jetzt aufgelöst werden. Wie das im Detail abläuft, kann ich freilich nicht beurteilen. Aber grundsätzlich wird das Team aufgelöst und die Assets veräussert. Ob es ein kleineres Alinghi-Segelteam geben wird in Zukunft, so wie es auch nach 2010 der Fall gewesen ist (nach der 3. America's-Cup-Teilnahme 2010 nahm Alinghi bis 2024 nicht mehr an diesem Event teil, fuhr aber unter gleichem Namen andere, kleinere Rennen; die Red.), wird sich zeigen. Ich wünsche mir natürlich, dass Alinghi auch weiterhin besteht und dass Ernesto Bertarelli weiterhin Freude am Segel-Sport hat.
Mit dem Rückzug von Alinghi geht dem Schweizer Segel-Sport der Leuchtturm verloren. Sehen Sie das auch so?
Das ist ganz klar so. Alinghi war ein herausragendes Projekt für den Schweizer Segel-Sport. Der 1. Sieg beim America's Cup 2003 war eine riesige Sache und rückte das Segeln ins Zentrum der Schweizer Sport-Aufmerksamkeit. Wenn wir dieses Team verlieren, dann wird uns das fehlen. Gleichzeitig ist Alinghi Teil der Sport-Geschichte, der Schweizer Sport-Geschichte und der America's-Cup-Geschichte. Das wird immer so bleiben.