Das Springen von der Grossschanze an der Nordischen Ski-WM in Trondheim ging am Samstag in die Geschichte ein. Domen Prevc krönte sich überraschend zum Weltmeister und tat es damit seiner Schwester Nika gleich, die sich tags zuvor den Titel geholt hatte. Das perfekte Geschwister-Märchen war Tatsache.
Nur rückte dieses schon weniger als eine Stunde nach dem Wettkampf vollkommen in den Hintergrund. Anonym gefilmte und veröffentlichte Videos hatten die Runde gemacht. Auf den Bildern ist zu sehen, wie das norwegische Team im Beisein von Trainer Magnus Brevig die Wettkampfanzüge auf unzulässige Art und Weise bearbeitet.
So sehr ich diese Athleten mag, ich kann nicht glauben, dass man diese Manipulation nicht merkt.
Marco Grigoli, der das Springen von Zürich aus kommentierte, befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Heimweg ins Engadin. Er habe durch einen Freund während der Autofahrt zwar mitbekommen, dass Marius Lindvik die Silbermedaille aberkannt und der fünftplatzierte Johann Andre Forfang ebenfalls disqualifiziert worden sei, richtig informiert habe er sich dann aber erst zuhause. «Dann ging bei mir der Zwanziger runter und ich wusste, das ist ein Hammer», so der SRF-Experte.
Glaubwürdigkeit der Athleten fraglich
Der «Hammer» hat mittlerweile weitere Konsequenzen nach sich gezogen. Brevig wurde suspendiert, die FIS hat eine Untersuchung eingeleitet. Und die involvierten Athleten? Diese beteuerten am Montag ihre Unschuld respektive ihr Unwissen. Etwas, das Grigoli «sauer aufstösst», wie er sagt. «So sehr ich diese Athleten mag, ich kann nicht glauben, dass man diese Manipulation nicht merkt. Vor allem wenn es um die Spannung im Anzug geht», so der 33-Jährige.
Wie genau die Anzüge der Norweger manipuliert wurden, ist Gegenstand der Untersuchung. Die Spekulationen seien nach dem Bekanntwerden ins Kraut geschossen. Es sei viel geschrieben worden, so Grigoli. «Was für mich Sinn macht, ist das Einnähen eines starren Bandes von Knie zu Knie, so dass es im Bereich des Schritts bis zum Knie mehr Spannung gibt», führt der Engadiner aus.
Sollten die Athleten von dieser nachträglichen Bearbeitung der Anzüge tatsächlich nichts gewusst haben, «ist das ein Albtraum», sagt Grigoli. Dann habe man Lindvik und Co. an die Haie verfüttert, nur um als Team Erfolg zu haben.
FIS ist gefordert
So oder so handelt es sich um einen handfesten Skandal, dessen Tragweite noch nicht ganz abzuschätzen ist. «Es geht hier um bewusstes Betrügen. Es ist eine absichtliche Untergrabung des Regelwerks und das ist unfassbar», so Grigoli, der Parallelen zu einem Dopingvergehen zieht.
Gefordert ist in den nächsten Wochen nun insbesondere die FIS. Bei der Aufarbeitung wird es darum gehen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Verband wird sich aber auch damit beschäftigen müssen, wie er solche Manipulationen künftig vermeiden kann.
Das sieht auch Grigoli so, der in dieser Hinsicht aber «sehr vorsichtig» ist, wie er sagt. «Wenn so etwas passiert, bellen die Ersten immer sehr laut und fordern und fordern.» Man dürfe aber nicht vergessen, dass die FIS in den letzten Jahren einiges unternommen habe, um das Skispringen fairer zu machen.
Interessant findet Grigoli den Ansatz, die Anzüge unparteiisch herstellen zu lassen, also durch den gleichen Fabrikanten für alle. Derzeit ist dies jeder Nation selbst überlassen.