Als Weltnummer 50 ist Polina Buhrowa an den Swiss Open in Basel nicht das grosse Zugpferd. Schliesslich sind am Rheinknie im Frauen-Einzel unter anderem die Nummer 6 und die Nummer 8 am Start. Gleichwohl ist Buhrowa eine der spannendsten Spielerinnen im Tableau. Das hat einerseits sportliche Gründe. Aber auch andere.
Wie für die meisten ihrer Landsleute begann auch für Buhrowa im Februar 2022 eine neue Zeitrechnung. Wenige Wochen nach ihrem 18. Geburtstag startete Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. «Wir hatten grosse Angst, als am Morgen um 5 Uhr der Krieg begann. Wir hörten schreiende Menschen und sahen Bomben in der Nähe einschlagen. Es war schrecklich und es sind Bilder, die ich nicht mehr vergessen werde», erzählt Buhrowa in Basel, wo sie im Einzel und im Doppel antritt.
Inzwischen in Italien sesshaft geworden
5 Tage nach dem russischen Einmarsch verliess die ehemalige europäische Nummer 1 in der Jugendweltrangliste das Land. In ihrer Heimatstadt Charkiw nahe der russischen Grenze war an ein sicheres Leben nicht mehr zu denken.
Buhrowa wurde zur Badminton-Nomadin. Sie lebte in der Folge – von ihrer Familie und ihren Freunden getrennt – unter anderem in Tschechien, Deutschland und Thailand. Inzwischen ist die 21-Jährige in Mailand sesshaft geworden. Von dort reist sie an Turniere in aller Welt. In den letzten 12 Monaten bestritt Buhrowa nicht weniger als 22 Turniere. Die Reise nach Basel, wo sie zum 1. Mal dabei ist, ist dabei die kürzeste aller Anfahrten.
Der Sport als Zufluchtsort
Es ist für Buhrowa schwierig, sich auf ihr Leben als Profisportlerin zu fokussieren im Wissen, dass ihre Eltern und ihr Bruder nach wie vor in der Ukraine – inzwischen im westlichen Landesteil – leben. «Mental ist es sehr herausfordernd. Ich bin oft abgelenkt und beunruhigt», gibt die letztjährige Olympia-Teilnehmerin zu.
Wenn ich spiele, fühle ich diese unglaublichen Emotionen und vergesse alles um mich herum.
Badminton ist für die junge Sportlerin eine Art Zufluchtsort, an dem die belastenden Gedanken für eine Weile in den Hintergrund treten. Sie sagt: «Badminton ist mein Leben. Wenn ich spiele, fühle ich diese unglaublichen Emotionen und vergesse alles um mich herum. Ich kann stundenlang trainieren, ohne mental zu ermüden.»
In Basel will Buhrowa diese Emotionen wieder erleben. Als siebtbeste Europäerin in der Weltrangliste trifft sie in Runde 1 auf die Thailänderin Pornpicha Choeikeewong. Die Nummer 35 im Ranking ist ein harter Brocken. Doch selbst im Falle einer Erstrunden-Niederlage geht die Welt für Buhrowa nicht unter. Sie weiss besser als die meisten anderen, dass es Wichtigeres im Leben gibt.