Zyniker würden sagen: Lando Norris taugt nicht für einen echten Stallzoff. Drei Punkte Vorsprung hat der Brite noch im Formel-1-Klassement auf seinen McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri. Die beiden trennt aber noch etwas anderes: Piastri wirkt, als ob ihn nichts wirklich aus der Ruhe bringen könnte.
Norris ist das Gegenteil – und er redet offen darüber. Über seine Schwächen, über seine Nervosität, über den Druck und alles, was diesen auslöst. Ist Norris vielleicht das Paradebeispiel einer neuen Generation, eines Wandels, den auch die Formel 1 erreicht hat?
Vettel: «War zu meiner Zeit nicht so»
«Ich bin jetzt noch nicht so alt, aber zu meiner Zeit war das nicht so der Fall», sagte der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel der Deutschen Presse-Agentur. «Ich finde es ein Zeichen von Stärke, dass Lando sich so öffnet.» Schade sei es, wenn Norris deswegen unterstellt würde, dass er angreifbarer sei.
Selbstzweifel habe jeder, betonte der 37-jährige Vettel. «Die hatte ich, die hat wahrscheinlich auch Lewis (Hamilton), die hatten aber auch andere Generationen vor uns. Man hat sie nur nicht geäussert.» Für Vettel ist es wichtig, den Wandel hervorzuheben und den Mut, den gerade Norris aufbringt, sich so zu öffnen.
Norris tut Vettels Unterstützung gut. «Seb und ich reden ab und zu miteinander. Er schreibt mir Nachrichten. Immer in Zeiten, in denen ich es wahrscheinlich am meisten brauche», sagte er im Fahrerlager in Saudi-Arabien. Und im Moment braucht Norris diese Unterstützung wieder.
Verlust der WM-Führung droht
Der McLaren gilt derzeit als bestes Auto. Zuletzt in Bahrain fuhr Piastri auf die Pole Position, Norris wurde nur Sechster in der Qualifikation und haderte vor allem mit sich selbst. «Ich fühle mich, als hätte ich nie zuvor ein Formel-1-Auto gefahren.» Im Rennen rettete er sich hinter Piastri und George Russell im Mercedes noch auf Platz drei.
Geht der Grosse Preis von Saudi-Arabien am Sonntag auch so aus, ist Norris seine WM-Führung los. Der Druck könnte grösser kaum sein. Dabei hatte er schon im vergangenen Jahr mal erzählt, was das gerade an den Renntagen mit ihm macht. Er könne dann kaum essen oder trinken, «einfach weil ich nervös bin».
Fehleranfälliger Norris
Immer wieder unterlaufen Norris allerdings auch Fehler. Zuletzt in der Wüste von Sakhir in Bahrain parkte er seinen Wagen beispielsweise in der Startaufstellung nicht wie vorgeschrieben und bekam dafür eine Zeitstrafe.
Aber auch beim Umgang mit den eigenen Patzern ist er offen und ehrlich. Auffallend ist dabei, dass keiner seiner direkten Rivalen das zu verbalen Gemeinheiten nutzt. Harte Duelle auf der Strecke, respektvoll ausserhalb. Auch das ist sicher Zeichen eines Wandels dank einer neuen Generation in der Formel 1.