Als Swiss Athletics im Jahr 2010 im Hinblick auf die Heim-EM 2014 in Zürich das Projekt Sprintstaffel der Frauen lancierte, lag die nationale Saisonbestzeit über 100 m bei 11,70 Sekunden. Heuer blieben bisher 16 Schweizerinnen unter dieser Zeit. 14 Jahre später lässt sich konstatieren: Die 4x100-m-Staffel ist eine Erfolgsgeschichte. In Paris qualifizierten sich die Schweizerinnen zum 6. Mal in Folge an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften für den Final.
Vor 3 Jahren in Tokio wurden die Schweizerinnen mit einem Rückstand von 2 Zehntel auf die drittplatzierten Britinnen Vierte. An der WM 2019 in Doha, wo ebenfalls der 4. Platz herausschaute, fehlten gar nur 8 Hundertstel zum Podest; beim 4. Rang an der EM 2018 in Berlin waren es 7 Hundertstel. Die Krönung des Projekts blieb bisher aus.
Hoffen auf Patzer bei der Konkurrenz
Dass sich dies in Paris ändert, ist nur realistisch, wenn höher eingestufte Nationen patzen – was in der Sprintstaffel immer möglich ist. Nach den Ansprüchen im Final gefragt, antwortete Mujinga Kambundji pragmatisch: «Wir werden versuchen, um die Medaillen mitzulaufen. Es gilt, einen guten Job zu machen und dann sehen wir, was herausschaut.»
Die Konkurrenz ist durchaus namhaft. Über allen schweben die USA um Superstar Sha'carri Jackson. Erste Herausforderinnen sind die Britinnen, die in dieser Saison die Bahnrunde bereits in 41,55 Sekunden liefen. Dahinter gelten Frankreich, Deutschland und das ersatzgeschwächte Jamaika zu den Medaillen-Anwärterinnen. Die Schweiz wiederum müsste wohl einen nationalen Rekord aufstellen, um Chancen auf den Coup zu haben. Das Feld wird komplettiert von der Niederlande sowie Kanada.
Intuition und mehr Risiko
Mit 42,38 Sekunden blieb das Quartett im Vorlauf um 33 Hundertstel über der Schweizer Bestzeit von Tokio. Doch man sah, dass da noch einiges an Marge eingebaut worden war. Das volle Potenzial soll dann im Final mit höherer Risikobereitschaft ausgeschöpft werden. Kambundji hatte als Schlussläuferin erstmals in einem Wettkampf den Stab von Léonie Pointet übernommen. Das klappte noch nicht ultraschnell, aber ohne jede Schwierigkeit. Teamleaderin Kambundji vertraut auf die Intuition, man solle jetzt bloss nicht zu viel «hirnen».
Die Pflicht ist erledigt, das selbstauferlegte Ziel Final-Qualifikation erreicht. Folglich darf man Sarah Atcho-Jaquier, die eigens für die Sprint-Staffel angereist ist, glauben, wenn sie sagt: «Ziel Nummer 1 ist immer, Spass zu haben.» Ob nun 14 Jahre nach Lancierung des Projekts die Krönung erfolgt oder nicht – den Leichtathletik-Fans hat das schnelle Quartett definitiv viel Spass bereitet.