Es gab Saisons, da reisten Hermann Maier, Stephan Eberharter und Co. mit bis zu 12 Siegen zum Klassiker in Kitzbühel an – und spielten ihre Dominanz am Hahnenkamm maximal aus. Die bis zu 50'000 Fans im Ziel und entlang der Streif gerieten ob der einheimischen Erfolgslawine erst recht in Party-Stimmung.
Zehntausende Fans, eine tolle Atmosphäre und viele Partys wird es in Kitzbühel auch in den kommenden Tagen geben. Allerdings eher trotz als aufgrund der sportlichen Leistungen der Gastgeber. In dieser Saison präsentierte sich die Truppe von ÖSV-Männerchef Marko Pfeifer meist von ihrer schwachen Seite.
20 Rennen, 0 Siege – Abfahrt als grösste Baustelle
Vor den 85. Hahnenkamm-Rennen ist in Österreich Krisenstimmung angesagt, findet die mit Abstand erfolgreichste Nation in der Geschichte des Alpin-Weltcups vorab bei den Männern nicht aus der Negativspirale. Nach 20 Rennen steht der Zähler bei den Siegen noch auf 0, Podestplätze gab es erst deren 5.
Die Abfahrt ist die grösste Sorgendisziplin: In 4 Rennen kommt der ÖSV auf 3 Top-10-Plätze, 2 davon durch Vincent Kriechmayr. Umso bedauerlicher, dass sich ausgerechnet der Doppel-Weltmeister von 2021 zuletzt in Wengen verletzte. Für Kitzbühel, wo er 2023 die Abfahrt und 2021 den Super-G gewann, droht Kriechmayr wegen einer Innenbandzerrung im Knie das Aus. Am Donnerstag wurde publik, dass er mit einem Blitz-Comeback zumindest liebäugelt.
Die Kritik des «Herminators»
Ohne Kriechmayr ist den einheimischen Speed-Fahrern in Kitzbühel eines gemeinsam: Sie haben – trotz zum Teil mehr als 150 Weltcup-Starts – auf oberster Stufe noch kein Rennen gewonnen. «Man muss eingestehen, dass es bei einigen Athleten schon ein Zufall wäre, wenn sie in die Top 5 fahren würden», kritisiert die österreichische Ski-Legende Hermann Maier die Qualität des ÖSV-Abfahrtsteams.
«Wir haben nur diese Fahrer und können nicht zaubern», sagt Pfeifer. In Wengen war Otmar Striedinger als 17. mit fast 2,5 Sekunden Rückstand Österreichs Topfahrer. Der ebenfalls 33-jährige Daniel Hemetsberger war in dieser Saison in der Abfahrt nie besser als 11., Stefan Babinsky erreichte maximal Rang 15. Aufgrund der auf das Team einprasselnden Kritik sei es, so Striedinger nach dem ersten Training am Dienstag in Kitzbühel, «am gescheitesten, keine Medien zu konsumieren».
Austria is back?
Zu Hoffnungen Anlass gibt vor allem Stefan Eichberger. Der 24-Jährige preschte in Gröden mit Startnummer 56 auf den 6. Rang vor und verhinderte damit eine gröbere ÖSV-Schlappe. Im 2. Training auf der Streif reihte er sich gar als Zweiter ein. Da zudem Hemetsberger am Mittwoch 4. war, geriet der Speaker im Zielraum schon in Euphorie und kündigte an: «Austria is back.»
Weshalb die Routiniers mit Formproblemen kämpfen und der Nachwuchs im Weltcup fehlt, darüber wird in Österreich viel und kontrovers debattiert. Gemäss dem «Herminator» begann die Malaise schon früh, so übte er 2013 in einem Blog harsche Kritik. Er bemängelte, dass sich der Verband zu stark auf ein paar wenige Leistungsträger wie Marcel Hirscher konzentrierte. «Der zog sein Ding durch», so Maier, und habe durch seine Erfolge viele Mängel zugedeckt. «Aber», sagt der 54-fache Weltcupsieger auch, «gemeinsame Trainings mit den Jüngeren hat es nicht gegeben. Dabei lernt man nur von den Besten.»