Eigentlich hatte sich Corinne Suter ja vorgenommen, nicht zu weinen. «Aber es ist unmöglich», stammelte die Schwyzerin tränenüberströmt ins SRF-Mikrofon. Der Gewinn der Bronzemedaille in der Abfahrt überwältigte die 28-Jährige komplett.
Dabei hat Suter mittlerweile Übung darin, an Grossanlässen Medaillen zu gewinnen. Neben dem Olympiasieg und dem WM-Titel in der Abfahrt hat die fünffache Weltcupsiegerin vier weitere WM-Medaillen in ihrem Palmarès stehen. Und trotzdem ist die Bronzemedaille von Méribel eine ganz besondere.
Es gab Tage, an denen ich nicht raus konnte, weil es einfach nicht ging.
«Ich habe noch nie so unvorbereitet eine Medaille gewonnen», sagte Suter an der Medienkonferenz nach dem Rennen. Noch am Freitag habe sie gezweifelt, ob sie überhaupt an den Start gehen soll. Nach den Trainingsrängen 9 und 13 war die Titelverteidigerin in der Abfahrt im Abschlusstraining als 23. so gar nicht auf Touren gekommen.
Der lange Schatten des Cortina-Sturzes
Suter war vor 3 Wochen in der Weltcup-Abfahrt in Cortina fürchterlich gestürzt. Zwar konnte sie selbstständig ins Ziel fahren, zog sich aber beim heftigen Aufprall eine Gehirnerschütterung zu, mit deren Folgen sie sich im Vorfeld der WM herumschlug.
Sie sei sehr froh gewesen, dass ihr Körper beim Sturz unversehrt geblieben sei. Die Gehirnerschütterung machte Suter aber schwer zu schaffen «Es gab Tage, an denen ich nicht raus konnte, weil es einfach nicht ging», erzählte sie über ihre Leidenszeit kurz vor der WM.
Der Sturz in Cortina war für Suter ein äusserst seltenes Ereignis. Zuvor war sie im Weltcup in fast 7 Jahren kein einziges Mal gestürzt oder ausgeschieden. Das Vertrauen in ihr Können hat sie deshalb nicht verloren. «Ich hatte in den letzten Tagen ein gutes Gefühl, aber ich war einfach immer enttäuscht, weil es nicht schnell war.»
Zum genau richtigen Zeitpunkt hat sich Suter nun selbst bewiesen, dass sie noch immer schnell sein kann.
Goggia wieder ohne WM-Medaille in Paradedisziplin
Während Suter Freudentränen vergoss, befand sich Sofia Goggia am anderen Ende der Gefühlsskala. Die Italienerin war als die grosse Favoritin auf die Goldmedaille ins Rennen gegangen, nachdem sie in der Abfahrt in diesem Winter die dominante Figur gewesen ist. Nach einem Einfädler kurz vor dem Ziel wurde die 30-Jährige disqualifiziert.
Goggia präsentierte sich beim Interview im Zielraum relativ abgeklärt. Den Tod ihrer früheren Teamkollegin Elena Fanchini, die vor drei Tagen einem Krebsleiden erlegen ist und am Samstag beigesetzt wurde, wollte sie nicht als Ausrede ins Feld führen. «Wir haben innerhalb des Teams Zeit miteinander verbracht und an die Tragödie um Elena gedacht. Aber als ich im Starthaus stand, war ich auf mich fokussiert», sagte Goggia, die vor ihrer Disqualifikation kurzzeitig Zwischenrang 3 belegt hatte.
Goggia ist seit Jahren die dominierende Abfahrerin im Weltcup. Vier der bisherigen sechs Saisonrennen hat sie gewonnen. Nach Gold 2018 in Pyeongchang holte sie bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking Silber. Auf eine WM-Medaille in ihrer Paradedisziplin muss Goggia nun weiter warten. Bei ihrem Heimspiel in Cortina d'Ampezzo vor zwei Jahren fehlte sie verletzungsbedingt.