«Das Märchen vom Zauberberg» – Michelle Gisin hat es geschrieben. 19 Jahre nach dem letzten Slalomtriumph steht mit der Engelbergerin wieder eine Schweizerin ganz zuoberst auf dem Podest. Dass Gisin ausgerechnet in Semmering ihren ersten Weltcupsieg bejubeln kann, hat in der Tat etwas Märchenhaftes.
Auf den Tag genau vor 8 Jahren, am 29. Dezember 2012, hatte sie im österreichischen Kurort ihr Weltcup-Debüt gegeben – und ihr Potential angedeutet. Mit Startnummer 44 qualifizierte sie sich bei ihrer Premiere locker für den 2. Lauf, schied dort dann aber aus.
«Dass ich genau hier meinen ersten Sieg hole, ist einfach unglaublich. Und dann auch noch im Slalom», so die Allrounderin, die ihre ersten Podestplätze im Weltcup in der Kombi respektive den Speed-Disziplinen eingefahren hatte.
Das Ende der Shiffrin-Vlhova-Serie
Gisin hat mit ihrem Coup in Österreich nicht nur eine lange Schweizer Durststrecke beendet. Erstmals seit Januar 2017 stand am Ende eines Slaloms nicht Mikaela Shiffrin oder Petra Vlhova ganz zuoberst. In den letzten 28 Weltcup-Slaloms war der Sieg jeweils an die US-Amerikanerin oder die Slowakin gegangen.
Ich habe zu ihr gesagt: ‹Ich versuche es schon so lange und bei dir sieht das so locker aus.›
In den vergangenen zwei Jahren war es aus Schweizer Sicht vor allem Wendy Holdener gewesen, die am Stuhl der beiden Dominatorinnen gerüttelt hatte. 24 Mal stand die Schwyzerin bereits auf einem Slalom-Podest. Nur mit einem Sieg hat es bisher nicht geklappt.
Diese Tatsache schmälerte Holdeners Freude für ihre Teamkollegin nicht, im Gegenteil. «Ich habe zu ihr gesagt: ‹Ich versuche es schon so lange und bei dir sieht das so locker aus›», so die Schwyzerin, welche die «sackstarke Fahrt» von Gisin herausstrich.
Mit den Rängen 4 und 2 in Levi hatte Gisin in diesem Winter ihre starke Slalom-Form bereits angedeutet. Dass die Zeit für den ganz grossen Wurf bereits im 3. Rennen der Saison reif sein würde, machte auch die Kombi-Olympiasiegerin von Pyeongchang sprachlos. Gleichzeitig hob sie die Leistung des ganzen Teams, insbesondere diejenige von Holdener, hervor.
«Heute bin ich es, aber Wendy hat alles, was es braucht, um auch bald ganz zuoberst zu stehen», so Gisin. Und auch ihre derzeit verletzten Teamkolleginnen vergass die Engelbergerin im Moment des grossen Triumphs nicht. «Kämpfen lohnt sich, es kann auf einmal alles kommen.»