Was wurde in Wengen in den letzten Tagen um die Rennen gebibbert! Zu den hohen Temperaturen kamen immer schwieriger werdende Wetterprognosen hinzu. Doch nach dem geglückten Auftakt am Freitag bei teilweise blauem Himmel dürfte das Wetter auch am Samstag kein Spielverderber werden. Im Berner Oberland muss indes stets der unberechenbare Wind im Hinterkopf behalten werden.
Klar ist aber: Weil am Mittwoch das Training auf der kompletten Strecke gefahren werden konnte, steht dem Klassiker auf der längsten Abfahrts-Strecke der Welt reglementarisch nichts im Wege. Sollte das Wetter im obersten Teil doch nicht mitspielen, könnte man alternativ auch beim Hundschopf starten.
Sonst ist auf der traditionsreichen Piste alles so wie immer: Die Schlüsselstellen heissen einmal mehr Minschkante, Kernen-S und Ziel-S. Gewinnen kann nur, wer auch über einen langen Atem verfügt. Mit einer Fahrtzeit von rund 2:30 Minuten ist das Lauberhorn der Marathon im Weltcup-Kalender.
An ihnen führt kein Weg vorbei:
Auch bei der Frage nach den grossen Favoriten gibt es keine grossen Überraschungen. Würde man auf Super-G-Sieger und Abfahrts-Dominator Aleksander Kilde als Sieger setzen, man würde nicht reich werden. Der Norweger befindet sich in einer beneidenswerten Form. 3 der 5 Abfahrten des Winters wurden seine Beute. Negative Ausreisser kannte der 30-Jährige kaum. Abgesehen von einem Ausfall in Gröden im Dezember 2021 verpasste er die Top 10 in den letzten 27 (!) Weltcup-Abfahrten kein einziges Mal. Am Lauberhorn gewann er das erste von 2 Rennen im letzten Winter.
Kaum zu glauben, dass Marco Odermatt im Vorjahr seine Premiere am Lauberhorn feierte – und wie. Mit den Rängen 1 (Super-G), 2 und 4 zeigte er 2022 auf Anhieb, dass ihm die Bedingungen in Wengen zusagen. Mit Rang 3 im Super-G vom Freitag befeuerte er die Erwartungen für den Samstag weiter. Dem Überflieger im Skizirkus ist alles zuzutrauen, er ist auch in der Abfahrt der grosse Rivale Kildes.
Hinter dem aktuellen Top-Duo in den Speedbewerben ist auch mit Vincent Kriechmayr zu rechnen. Der Routinier gewann hier bereits zweimal und brachte sich mit Rang 4 im Super-G vom Freitag in Position. Nie abschreiben sollte man Beat Feuz. Der «Kugelblitz» bestreitet am Samstag sein letztes Rennen auf Schweizer Boden, bevor er seine Abschiedsvorstellung in Kitzbühel geben wird. Eine «Plausch-Fahrt» wird es nicht geben, hat der Schangnauer angekündigt – ein Podestplatz wäre ein allzu kitschiges Ende vor Heimpublikum.
Für die Schweiz am Start:
Von seinem ersten Weltcup-Podestplatz und der Bestzeit im ersten Abfahrts-Training beflügelt, soll es auch für Stefan Rogentin weit nach vorne gehen. Der Bündner hat sich in Odermatts Sog der Weltspitze angenähert, auch wenn der Super-G noch die stärkere Disziplin des 28-Jährigen ist. Aber Vorsicht: Sein bestes Abfahrts-Ergebnis feierte er mit Rang 8 im Vorjahr in ... Wengen.
Das zweite Training auf der kompletten Strecke wurde am Mittwoch eine Beute von Niels Hintermann. Dem Zürcher fehlt es bisweilen an Konstanz, an guten Tagen kann er aber ganz vorne mitmischen.
Für die weiteren Schweizer Gilles Roulin (Startnummer 21), Top-Talent Alexis Monney (37), Lars Rösti (39) und Justin Murisier (47) dürften Punkte das Ziel sein.
Aufgepasst auch auf diese Athleten:
Dominik Paris hat bislang eine Saison zum Vergessen hinter sich. Erst kurz vor dem Jahreswechsel konnte er sich in Bormio ein erstes Mal in den Top 10 klassieren. In Wengen scheint die Tendenz weiter nach oben zu zeigen. Der 33-Jährige hielt in beiden Trainings und auch im Super-G (5.) mit den Schnellsten mit. Zweimal stand er bereits auf dem Lauberhorn-Podest, der Sieg fehlt ihm noch.
Anders als Paris läuft es bei James Crawford heuer wie am Schnürchen. Nach einem Nuller zum Auftakt fuhr der Kanadier jedes Mal in die Top Ten. Ein kleines Fragezeichen muss noch hinter die Verfassung Crawfords gesetzt werden, stürzte er am Freitag doch bei hohem Tempo, blieb jedoch ohne grössere Blessur.
Ein «wilder» Tipp zum Schluss: Sollte es am Samstag wegen des Wetters zu einem «Startnummer-Rennen» kommen, hat Mattia Casse gute Karten. Der Italiener zeigt mit Top-Klassierungen in den Trainings regelmässig, dass er mit den besten Fahrern mithalten kann; so auch in Wengen mit Rang 3 am Mittwoch. Startnummer 3 könnte sein Schlüssel zum Exploit werden.